Sturm der Leidenschaft: Er suchte einen verborgenen Schatz - und fand die Liebe seines Lebens (German Edition)
Mann davonritt, eine Staubwolke und einen kleinen Jungen hinter sich lassend, der sich aufs Neue seinem Peiniger und dem alptraumhaften Gestank von schmutzigen grauen Schaffellen stellen musste, in die ihm Nacht für Nacht sein Gesicht gedrückt wurde.
Graham riss die Augen auf. »Nie wieder!«, flüsterte er streng. »Ich bin nicht mehr das Kind, das ich war.«
Er trat von der Anrichte weg und schritt im Salon auf und ab, um die Rastlosigkeit und Anspannung in seinem Innern zu bändigen. Schließlich blieb er stehen und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Heute Abend wäre er nicht die einzige Jungfrau im Bett. Seine Geliebte wäre ebenso nervös wie er. Denk an sie! , befahl er sich im Stillen. Konzentriere dich auf sie!
Sein Bruder Kenneth, der Graham bei seiner Rückkehr nach England im letzten Jahr den Familientitel abgetreten hatte, hatte ihm einige recht deutliche Ratschläge gegeben. Er hatte Graham sogar Bücher mit sehr einschlägigen Illustrationen geliehen. »Um die Leidenschaft einer Frau zu erwecken, liebt man sie nicht bloß mit dem Körper, sondern auch mit dem Geist. Umwerbe sie mit Worten, nicht nur mit Berührungen«, hatte er ihm geraten.
Umwerbe sie. Graham blickte sich um und sah eine schmale chinesische Vase mit frischen Rosen. Er ging hin und betrachtete die Blüten. Anstelle eines Dutzends von einer Farbe, waren sie bunt gemischt – weiß, gelb, rot und rosa. Wie seltsam!
»Nehmt Euch gern eine. Ihr könnt sie Eurer Dame überreichen.«
Madame LaFontants Stimme erschreckte ihn, hatte er sie doch nicht wieder hereinkommen gehört. Er runzelte kurz die Stirn und drehte sich zur Tür um.
»Warum die unterschiedlichen Farben?«
Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Lippen, dann antwortete sie achselzuckend: »Ich mag Farben. Nur zu, nehmt Euch eine, die Ihr Eurer Dame schenken könnt.«
Er wollte schon eine Rose aussuchen, zögerte jedoch. Kenneth schenkte seiner Frau Badra oft rote Rosen. Rote Rosen symbolisierten also Liebe. Graham wusste, dass ihn keine Frau jemals lieben könnte. Und dennoch sprach ihn das tiefe Rot am ehesten an. Vielleicht, nur vielleicht, könnte er Liebe vortäuschen. Der bevorstehende, sehr persönliche Akt würde dadurch ein bisschen weniger unpersönlich. Aber er sollte noch eine weiße Blüte dazunehmen, um die offensichtliche Symbolik zu mindern.
»Darf ich auch zwei nehmen?«
Madame LaFontant lächelte. »Aber selbstredend.«
Wieder zögerte Graham, bevor er sich eine langstielige rote Rose und eine weiße aus der Vase aussuchte. Beim Herausnehmen stach ihm ein Dorn in den Daumen. Er zuckte zurück und blickte auf den kleinen Blutfleck.
»Rosen haben Dornen, genau wie das Leben, Euer Gnaden. Liebreiz und Schönheit haben ihren Preis.«
Er sog an seinem Daumen und warf Madame LaFontant ein mattes Lächeln zu. »Es macht mir nichts aus, einen Preis zu zahlen – solange ich nicht allzu viel Blut lassen muss.«
Sie lachte und gestikulierte in Richtung Tür. Grahams Herz hämmerte in seiner Brust, als er die Rosen behutsam in der Hand hielt.
Er hoffte inständig, dass seine Alpträume heute Nacht endeten. Eine Frau in seinen Armen zu halten, ihren weichen Körper unter seinem zu spüren, in ihre feuchten Tiefen einzudringen … ohne bittere Scham und schmerzliche Erinnerungen.
Heute Nacht konnte er endlich ein Mann sein.
Jillian Quigley war ihrem Traum einen Schritt näher.
Sie berührte ihre blonde Perücke und zupfte eine Locke zurecht. In dieser Verkleidung erkannte sie niemand. Madame LaFontants Etablissement war diskret und bezahlte die Frauen gut. Keine andere von ihnen besaß jenen kostbaren Schatz, den Jillian zu bieten hatte.
Jungfräulichkeit. Heute Nacht würde sie ihre für tausend Pfund in bar verlieren. Anonym, in der Dunkelheit und an einen Fremden, der keinerlei Gefühle für sie hegte.
Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und schritt durch das elegant eingerichtete Zimmer. Ein bitteres Lächeln trat auf ihre Züge. Sie verlor ihre Unschuld in einem Bordell – ob ihr Vater da wohl vor Empörung aufschreien würde? Seine Tochter, der er befohlen hatte, den wohlhabenden Bernard Augustine zu heiraten, opferte das einzige Kapital, das sie besaß. Der langweilige Bernard, der sich fortwährend räusperte und lachte, wenn sie anfing, über Alfred Marshalls Wirtschaftstheorie zu sprechen.
Nach der heutigen Nacht hatte sie genug Geld, um sich nach Amerika davonzustehlen. Ihr Leben lang schon hatte sie diesen einen heimlichen
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