Sturm der Leidenschaft
sollen. Clayton, ich glaube, ich bin auf gewisse Weise mißgestaltet. Denn das, was du mit mir gemacht hast, tat schrecklich weh. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß andere Frauen dabei diese Schmerzen empfinden, und .. .«
»Hör auf!« unterbrach Clayton rauh. Er dachte häufig genug voller Scham an das, was er ihr in jener Nacht angetan hatte. Er brauchte nicht auch noch von ihr daran erinnert zu werden. »Unter zwei Bedingungen hast du mein Wort, daß ich warten werde«, erklärte er ruhig. »Zunächst einmal verlange ich, daß ich nach unserer Hochzeitsnacht den Zeitpunkt bestimmen darf.«
Sie nickte so eifrig und wirkte so erleichtert, daß Clayton fast lächeln mußte.
»Die zweite Bedingung ist meine Bitte, dir das, was ich gleich sagen werde, in den nächsten Tagen ernsthaft zu überlegen.«
Wieder nickte sie.
»Das, woran du dich mit Angst erinnerst, war nichts anderes als ein schändlicher Racheakt von mir. Es hatte nichts, aber auch gar nichts mit körperlicher Liebe zu tun.«
Sie hörte aufmerksam zu und schien ihn verstehen zu wollen, aber aufgrund ihrer Erfahrungen konnte sie noch keine Unterschiede erkennen, und was für sie so schmerzhaft und demütigend gewesen war, konnte es jederzeit wieder sein. »Komm her«, sagte er liebevoll. »Vielleicht kann ich es an einem kleinen Beispiel deutlicher machen.«
Unbehagen zeigte sich in ihrem Gesicht, aber sie stand auf und setzte sich neben ihn. Clayton hob ihr Kinn an und küßte sie voller zärtlicher Leidenschaft. »Erinnerst du dich daran, wie ich dich auf der Terrasse von Lady Eubank küßte?« fragte er und sah sie forschend an. »Da ging es mir darum, dich dafür zu bestrafen, weil du mich dazu benutzen wolltest, Sevarin eifersüchtig zu machen. Weißt du es noch?«
Sie nickte. »Ich habe dich ins Gesicht geschlagen«, erinnerte sie sich lächelnd.
»Und hast du jetzt das Bedürfnis mich zu schlagen? Empfindest du auch nur annähernd so, wie bei unserem ersten Kuß?«
»Nein.«
»Dann glaube mir bitte: Wenn ich das nächste Mal mit dir ins Bett gehe, wird sich das von jenem ersten Mal so sehr unterscheiden wie dieser Kuß von dem auf Lady Eubanks Terrasse.«
»Danke«, sagte sie und strahlte vor Erleichterung.
Sie glaubt mir kein einziges Wort, dachte Clayton. Sie ist nur überglücklich, in ihrer Hochzeitsnacht vor mir verschont zu bleiben.
Kapitel sechzehn
Im Morgengrauen verließ Whitney das Bett, schlüpfte in ihren Morgenrock und setzte sich dann in den Sessel am Fenster, um zuzusehen, wie an ihrem Hochzeitstag die Sonne über London aufging.
Sie hörte, wie das Haus langsam zum Leben erwachte. Diener bewegten sich durch die Halle, Schritte eilten an ihrer Tür vorbei. Die Trauung sollte erst um drei Uhr nachmittags stattfinden, und das schien noch eine Ewigkeit entfernt zu sein.
Zuerst schienen die Stunden wie Jahre dahinzuschleichen, um dann, gegen Mittag, davonzufliegen wie Minuten. Pausenlos betraten oder verließen die unterschiedlichsten Leute ihr Zimmer, während Tante Anne sich aufs Bett setzte und zusah, wie Clarissa Whitneys mahagonifarbene Locken bürstete, bis sie glänzten. Emily kam herein, noch in ihrem Dressinggown, aber bereit, diesen jederzeit mit ihrer Brautjungfernrobe zu vertauschen, und auf ihren Fersen Elizabeth, die sie fröhlich begrüßte, ohne eine Antwort zu erhalten.
»Nervös oder nur mundfaul?« erkundigte sich Emily scherzend.
»Nichts von beidem. Nur glücklich.«
»Bist du denn kein bißchen nervös?« erkundigte sich Elizabeth und warf Emily und Whitneys Tante einen verstohlenen Blick zu. »Ich hoffe, Seine Gnaden hat sich inzwischen nicht anders besonnen.«
»Das hat er nicht«, versicherte Whitney betont ernst.
»Wie sich die Bilder gleichen!« Claytons Mutter lachte, als sie den Raum betrat. »Wie ich sehe, ist es hier auch nicht anders als ein paar Straßen weiter. Stephen bringt Clayton noch um den Verstand.«
»Ist Clayton denn nervös?« fragte Whitney ungläubig.
»Unvorstellbar nervös«, erwiderte Ihre Gnaden und setzte sich neben Anne Gilbert auf das Bett.
»Warum?« wollte Whitney beunruhigt wissen.
»Warum? Dafür gibt es mindestens ein Dutzend Gründe, und alle haben direkt oder indirekt mit Stephen zu tun. Als Stephen um zehn Uhr morgens bei ihm eintraf, erzählte er ihm, er habe unterwegs zwei Reise-Chaisen gesehen und sei sicher, dich in einer erkannt zu haben. Clayton rannte bereits die Treppe hinunter, als ihm Stephen nachrief, es sei nur ein Scherz
Weitere Kostenlose Bücher