Sturm der Leidenschaft
Gäste Spalier standen.
Im blumengeschmückten Ballsaal stand Whitney neben Clayton unter einem zwölfarmigen Kristallüster und nahm das Defilee der Gäste entgegen. Nach der Trauung waren sie zu einem kleinen Empfang in Claytons Stadthaus gefahren, um bald darauf nach Claymore aufzubrechen. Und nun stand sie hier - als seine Frau . .. »Lady Amelia Eubank«, hörte sie den Butler sagen. Unwillkürlich verspannte sie sich, als die scharfzüngige alte Dame auf sie zukam.
»Ich gehe zuversichtlich davon aus, Mylady«, neckte Clayton, »daß Sie mich als würdige >Konkurrenz< für Sevarin betrachten?«
Lady Eubank lachte nahezu krächzend auf und trat einen Schritt näher an Clayton heran. »Ich wollte Sie schon immer fragen, warum Sie das Anwesen Hodges nun tatsächlich für Ihre >Erholung< erwählt haben.«
»Tatsächlich«, erwiderte Clayton und sah Whitney zärtlich an, »aus dem Grund, den Sie vermuten.«
»Ich wußte es!« verkündete sie triumphierend. »Aber ich brauchte Wochen, um es herauszufinden. Sie hinterhältiger Bursche«, fügte sie fast liebevoll hinzu, wandte sich ab, hob ihr Lorgnon und suchte unter den Gästen nach einem neuen Opfer.
Vor dem Bankett war eine Reihe von Toasts angesagt, und den ersten brachte Stephen aus. »Auf die Duchess of Claymore«, sagte er.
Whitney hob ihr Glas und lächelte ihre Schwiegermutter an. »Ich glaube, Stephen meint dich«, flüsterte Clayton schmunzelnd.
»Mich? O ja, natürlich«, entgegnete Whitney und ließ die Hand wieder sinken. Aber es war zu spät. Alle Gäste brachen in schallendes Lachen aus.
Nachdem Toasts auf die Gesundheit des jungen Paares ausgebracht waren, auf ihr immerwährendes Glück und ein langes Leben, begannen die Gäste eine Ansprache von Clayton zu fordern.
Er erhob sich, und Whitney verspürte erneut die Aura von Autorität, die ihn ganz selbstverständlich zu umgeben schien. »Vor etlichen Monaten in Paris«, begann er und seine tiefe Stimme drang in die entferntesten Ecken des Saales, »hat mich eine junge Lady beschuldigt, mir den Titel eines Herzogs anzumaßen. Sie meinte, ich sei ein so jämmerlicher Hochstapler, daß ich mir einen anderen Titel aussuchen sollte - einen, der besser zu mir passe. Ich entschied, daß ich nur einen einzigen anderen Titel anstrebte: den ihres Ehemannes.« Er brach ab und schüttelte bekümmert den Kopf. »Aber dieser zweite Titel war sehr viel schwerer zu erlangen, als der erste, das können Sie mir glauben.« Als das allgemeine Gelächter verebbt war, fügte er ernst hinzu: »Und von weit höherem Wert.«
Dann spielten die Musiker zum ersten Walzer auf, und Clayton führte sie auf das Parkett. Er nahm sie in die Arme und wirbelte sie unaufhörlich herum, aber als auch die Gäste das Parkett betraten, tanzte er ruhiger mit ihr.
Alle seine Sinne konzentrierten sich auf den Duft, der von ihr ausging, auf die leichte Berührung ihrer Fingerspitzen. Er dachte an die Nacht, in der sie ihm wirklich gehören würde, und es erregte ihn so, daß er diese Vorstellung verdrängen mußte.
Ihr Vater bat sie um den nächsten Tanz, und Clayton tanzte mit seiner Mutter. Erst nach Mitternacht verließen Clayton und Whitney Arm in Arm das Parkett, um sich mit ihren Gästen zu unterhalten.
Whitney schien sich glänzend zu amüsieren, und Clayton hatte keine Lust, ihr die Freude an ihrem Fest zu verderben. Aber kurz vor ein Uhr regte sich in ihm das unbehagliche Gefühl, die Gäste würden erwarten, daß sie sich zurückzogen. Ein Verdacht, der von Lord Marcus Rutherfords Bemerkung gleich darauf bestätigt wurde. »Falls Sie sich fragen sollten, wann Sie ohne Aufsehen zu erregen, das Weite suchen können«, meinte er lachend, »so ist dieser Zeitpunkt seit zwei Stunden überschritten.«
Clayton schlenderte auf Whitney zu und nahm sie beiseite. »Es tut mir leid, Kleine, aber wenn wir nicht bald aufbrechen, beginnen die Gäste zu reden .. .«
Schweigend durchquerten sie die Halle und begannen die geschwungene Treppe zur Galerie hinaufzugehen. Mit jeder Stufe wurden Whitneys Schritte schwerer. Doch Clayton bemerkte es nicht, da er gerade mit einem anderen Problem haderte: Sollte er sie in seine Suite oder in ihre führen? Überall geisterten Diener herum, und er wollte nicht, daß ihr Verzicht auf Intimität in der Hochzeitsnacht zum Tagesgespräch wurde.
Gerade hatte er sich entschlossen, sie zu ihren Gemächern zu bringen, als zwei Diener die Treppe heraufkamen. Wie ein Dieb im eigenen Haus trat Clayton
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