Sturm der Leidenschaft
würde. Doch auch das blieb ein Wunschtraum.
Erst am dritten Tag nach dem Ball sah ihn Whitney, und das rein zufällig. Sie kam gerade mit Emily aus dem Ort zurückgeritten, als Emily fast beiläufig fragte: »Wußtest du eigentlich, daß Mister Westland am Tag nach eurer Gesellschaft dringend nach London reisen mußte?«
»Mein Vater erwähnte etwas davon«, entgegnete Whitney abwesend, da alle ihre Gedanken bei Paul waren. »Aber ich denke, er wird morgen bereits zurückerwartet, Warum?«
»Weil Margarets Mutter meiner erzählt hat, daß Margaret die Stunden bis zu seiner Rückkehr zählt. Offenbar hat sie ihr Interesse völlig auf ihn fixiert und . . .« Emily brach ab, kniff die Augen zusammen und spähte die Straße entlang. »Wenn mich nicht alles täuscht«, meinte sie und warf Whitney einen neckenden Blick zu, »nähert sich uns da gerade das Ziel deiner Begehrlichkeit.«
Ihr blieb kaum Zeit, den Rock ihres Reitkleides zu glätten, da war Paul auch schon auf ihrer Höhe. Er zügelte den Rappen seines Einspänners, grüßte Whitney höflich, widmete dann aber seine Aufmerksamkeit ausschließlich Emily und überschüttete sie mit Galanterien und Komplimenten, bis sie ihn lachend darauf hinwies, daß sie inzwischen verheiratet war.
Khan, Whitneys Pferd, hatte eine spontane Abneigung gegen Pauls Rappen gefaßt, so daß sich Whitney alle Mühe geben mußte, ihr Roß zu beruhigen. »Gehst du morgen zu Lady Eubanks Gesellschaft?« hörte sie Paul fragen. Als längere Zeit keine Antwort erfolgte, blickte sie auf und bemerkte, daß Paul sie erwartungsvoll ansah.
»Gehst du morgen zu Lady Eubanks Gesellschaft?« wiederholte er.
Whitney nickte und merkte, daß ihr Herz schneller schlug.
»Gut, dann sehen wir uns dort.« Ohne ein weiteres Wort gab er seinem Pferd die Zügel, und der Einspänner schoß die Straße hinunter. Emily sah dem Gefährt nach. »Das war wohl die merkwürdigste Begegnung, die ich je hatte«, stellte sie fest. Ganz langsam überzog ein pfiffiges Lächeln ihr Gesicht. »Paul Sevarin hat sich gerade die größte Mühe gegeben, dich völlig zu ignorieren, Whitney. Kommt dir das nicht auch seltsam vor?«
»Ganz und gar nicht«, entgegnete Whitney seufzend. »Falls du dich noch erinnern kannst, hat mich Paul stets und ständig ignoriert.«
»Ja, ich weiß«, lachte Emily auf. »Aber damals hat er dich nicht unablässig verstohlen gemustert. Während des gesamten Gesprächs hat er dich nicht aus den Augen gelassen ...«
Kapitel sechs
»Tante Anne«, fragte Whitney, als sie in der Kutsche saßen, die sie zu Lady Eubank brachte, »glauben Sie, daß Paul Elizabeth aufrichtig liebt?«
»Wenn er es täte, hätte er ihr schon längst einen Heiratsantrag gemacht«, erklärte Anne Gilbert gelassen. »Und deine Freundin Emily hat absolut recht. Auch auf dem Ball am Tag nach deiner Ankunft hat er dich nicht aus den Augen gelassen, wenn er sich unbeobachtet glaubte.«
»Und warum läßt er sich dann so lange Zeit, irgend etwas zu unternehmen?«
»Bedenke doch die heikle Lage, in der er sich befindet, Liebes. Jedermann weiß, daß er noch vor vier Jahren deine Zuneigung kaum ertragen konnte. Da ist es nicht einfach, seine Einstellung ins Gegenteil zu verkehren und dir offen den Hof zu machen.« Whitneys düstere Miene brachte sie zum Lächeln. »Wenn du die Dinge beschleunigen willst, solltest du dich an Lady Eubanks Rat halten und ihn eifersüchtig machen.«
Drei Stunden später sah sich Whitney von buchstäblich allen anwesenden ungebundenen Männern umschwärmt, nur von dem nicht, nach dessen Zuneigung sie sich sehnte.
Am anderen Ende des Ballsaals neigte Clayton seinen Kopf lächelnd Margaret Merryton zu. Nachdem er in dringenden geschäftlichen Fragen einige Tage in London verbracht hatte, war er gerade rechtzeitig zurückgekehrt, um an Amelia Eubanks Gesellschaft teilnehmen zu können. Der alte Drache hatte ihn am Eingang begrüßt und betont, wie sehr sie es zu schätzen wüßte, wenn er sich an diesem Abend besonders um Miss Stone kümmern würde, um auf diese Weise Paul Sevarin Mores zu lehren. Und so war Claytons Stimmung nicht gerade die allerbeste.
Der Lady rüde den Rücken zuwendend, die gerade mit ihr sprach, hob Amelia Eubank ihr Einglas und überflog ihre Gästeschar, bis ihr Blick auf den Duke of Claymore fiel, der inmitten einer Gruppe junger Damen stand, die ihn ausnahmslos anhimmelten. Claymore, so stellte sie fest, reagierte auf sie mit amüsierter Duldsamkeit, aber seine
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