Sturm der Leidenschaft
tödliche Degen in seinen Rücken, aber erst, als er sich zu ihr umdrehte, sah sie, daß er lachte, sie rundheraus auslachte.
Sie ging auf ihn zu, dann an ihm vorbei, um ihn mitten unter den Tanzenden stehen zu lassen.
Seine Hand schoß vor und fing ihren Ellbogen ein. »Wagen Sie es ja nicht«, zischte er ihr zu und drehte sie dann lächelnd zu sich herum.
»Wie ungemein gnädig von Ihnen, mich zum Tanz zu bitten«, bemerkte Whitney ironisch, als sie sich widerwillig von ihm umfangen ließ.
»War das denn nicht Ihr Wunsch?« erkundigte er sich gespielt unschuldig, und bevor sie antworten konnte, fügte er hinzu: »Hätte ich gewußt, daß Sie gern die Aufforderung aussprechen, hätte ich mir meine ersten beiden Versuche sparen können.«
»Von allen unhöflichen, eingebildeten . . .« Whitney sah den ängstlichen Blick ihres Vaters, lächelte ihn strahlend an. Doch in dem Moment, als er sich wieder abwandte, blitzte sie ihren Tanzpartner wütend an und fuhr fort: ». .. unglaublichen, unaussprechlichen . . .« Clayton Westlands Schultern begannen vor Lachen zu zucken, und Whitney erstickte fast an ihrem Zorn.
»Nur weiter so«, forderte er sie breit lachend heraus. »Seit ich ein kleiner Junge war, bin ich nicht mehr so abgekanzelt worden. Wie sagten Sie doch gleich? >Unglaublich, unaussprechlich . . .?«
»Empörend unverschämt«, fauchte Whitney wütend, »... und so gar nicht gentlemanlike!«
»Nun, das bringt mich in eine recht heikle Lage«, spöttelte er. »Weil Sie mir keine andere Wahl gelassen haben, als mich zu verteidigen. Schließlich ist ihr Verhalten mir gegenüber heute abend alles andere als ladylike.«
»Lächeln Sie bitte. Mein Vater beobachtet uns«, flüsterte Whitney und zwang ihre Lippen zu einem Lächeln.
Clayton gehorchte sofort. Seine weißen Zähne blitzten strahlend, aber sein Blick senkte sich verlangend auf ihre Lippen.
Und das entging Whitney keineswegs. »Mister Westland«, erklärte sie spitz, »ich denke, unsere kurze unerfreuliche Begegnung hat lange genug gedauert.«
Sie wollte sich von ihm zurückziehen, aber er hielt sie eisern fest. »Ich werde nicht zulassen, daß einer von uns ungebührliches Aufsehen erregt, Kleine«, warnte er sie. Whitney blieb keine andere Wahl, als sich zu fügen und die unpassend intime Anrede zähneknirschend hinzunehmen. »Ein herrlicher Abend, finden Sie nicht auch«, meinte er lässig und setzte flüsternd hinzu: »Ihr Vater beobachtet uns schon wieder.«
Wie er versprochen hatte, kam Paul mit Elizabeth auf Whitney zu, als sie mit Clayton das Tanzparkett verließ. Elizabeth Ashton sieht aus wie eine wunderschöne, zerbrechliche Porzellanpuppe, dachte Whitney mißmutig. Sie trug eine Robe aus eisblauem Satin, die ihren zarten Teint und die schimmernden goldenen Locken vorteilhaft betonte, und ihre Stimme klang aufrichtig bewundernd, als sie sagte: »Ich kann kaum glauben, daß du das bist, Whitney.«
Da Clayton Westland Elizabeth aufforderte, hoffte Whitney, daß Paul wieder mit ihr tanzen würde. Aber statt dessen blickte er sie stirnrunzelnd an und erkundigte sich mürrisch: »Ist es eigentlich in Paris üblich, daß ein Mann und eine Frau, die einander gerade erst kennengelernt haben, einander in die Augen blicken, während sie tanzen?«
Verblüfft sah ihn Whitney an. »Ich habe Mister Westland doch nicht in die Augen geblickt. Ich dachte nur, ich würde ihn von irgendwoher kennen, doch das war eine Täuschung. Ist dir denn so etwas noch nie passiert?«
»Doch, heute Abend«, entgegnete Paul knapp. »Ich dachte, ich würde dich kennen, aber jetzt bin ich sicher, dich überhaupt nicht zu kennen.« Er machte auf dem Absatz kehrt und schlenderte davon. Früher wäre Whitney ihm nachgelaufen, um ihm zu versichern, daß sie sich ausschließlich für ihn interessierte, daß ihr Clayton Westland völlig gleichgültig war. Doch inzwischen war sie sehr viel klüger, und so lächelte sie nur leise in sich hinein und wandte sich in die entgegengesetzte Richtung.
Am nächsten Tag erwachte Whitney erst gegen Mittag. Sie warf die Decke zurück und sprang schnell aus dem Bett - felsenfest davon überzeugt, daß Paul ihr einen Besuch abstatten würde.
Doch Paul kam nicht, dafür aber etliche andere ihrer Nachbarn, und so verbrachte sie ihren Nachmittag damit, so bezaubernd und unbeschwert wie möglich zu wirken, während ihre Stimmung von Stunde zu Stunde sank.
Als sie zu Bett ging, redete sie sich ein, daß Paul am nächsten Tag erscheinen
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