Sturm der Leidenschaft
verschiedensten Kräutern und nach Ammoniak roch, aber Whitney sah, daß seine Augen neugierig an Claytons Hand hingen, die noch immer ihren Ellbogen umfaßte.
»Wie geht es Mister Paul?« erkundigte er sich hinterhältig.
»Ich glaube, er wird in fünf Tagen zurückerwartet«, erwiderte Whitney und fragte sich, was dieser kleine, rotgesichtige Mann wohl in sechs Tagen sagen würde, wenn sie mit Paul auf und davon war.
Clayton bat um eine Portion Hirschhornsalz, und der Apotheker reichte sie Whitney. Angewidert wehrte Whitney ab. »Es ist für Mister Westland, Mister Oldenberry«, erklärte sie ernsthaft. »Ich fürchte, er leidet schrecklich unter Schwermut und Kopfschmerzen.«
Clayton quittierte ihren Spott mit einem aufreizenden Lächeln. »So ist es«, sagte er schmunzelnd, während seine Hand Whitneys Ellbogen verließ, um sie liebevoll an sich zu drücken. »Und ich bin entschlossen, auch weiterhin zu >leiden<.« Er zuckte unwillkürlich zusammen, als Whitney ihren Absatz in seinen Stiefel bohrte, und zwinkerte dann dem Apotheker leutselig zu. »Es bringt mir das ganze Mitgefühl meiner bezaubernden Nachbarin ein.«
»Ach, Unsinn«, entfuhr es Whitney.
Clayton lächelte den Apotheker verschwörerisch an. »Sie hat wirklich ein bemerkenswertes Temperament, nicht wahr, Mister Oldenberry?« Beglückt über die ihm zugewandte Aufmerksamkeit stimmte Mister Oldenberry bereitwillig zu, daß Whitney schon immer ein erstaunliches Temperament besessen habe und daß er, wie Mr. Westland, Frauen bevorzuge, die Funken sprühten.
Whitney sah zu, wie Clayton für das Hirschhornsalz bezahlte und dann mit einer verstohlenen Handbewegung die Packung auf den Tresen zurücklegte.
»Das werden Sie bereuen!« fauchte sie außer sich vor Zorn, nachdem sie die Apotheke verlassen hatten.
»Das glaube ich nicht«, gab er ungerührt zurück.
In diesem Moment verließen Elizabeth Ashton und Margaret Merryton gerade eines der Geschäfte. Zum erstenmal begrüßte Margaret Whitney nicht mit einer boshaften Bemerkung. Sie begrüßte sie gar nicht, sondern himmelte Clayton an, der ihr pflichtschuldig die eingekauften Sachen abnahm, mit denen sie beladen war. Als sie die Straße überquerten, um zu Margarets Kutsche zu gelangen, sagte Margaret so laut, daß es Whitney hören mußte: »Ich wollte mich schon bei Ihnen erkundigen, ob ich meinen Sonnenschirm in Ihrer Kutsche vergessen habe.«
Der Schock über seinen Treuebruch verschlug Whitney fast den Atem. Sicher, sie fühlte sich nicht an die Einhaltung ihres Eheversprechens gebunden, aber Clayton hatte sich immerhin freiwillig durch einen Verlobungsvertrag an sie gebunden, der fast so verpflichtend und rechtlich bindend wie eine Eheschließung war. Dieser Mann war ja schlimmer als ein Lebemann! Er war . . . wahllos! Und von allen Frauen hatte er sich ausgerechnet ihre erbittertste Feindin für seine geheimen Amouren erwählt. Maßloser Zorn ließ Whitney erbeben.
»Margaret hat eine abgrundtiefe Abneigung gegen Sie«, sagte Elizabeth leise zu Whitney, während sie beide zusahen, wie Clayton erst Margarets Pakete in ihrer Kutsche ablud, um dann zu seiner eigenen zu laufen - offenbar, um nach Margarets Sonnenschirm zu suchen. »Ich glaube, Sie verabscheut Sie wegen Mister Westland noch mehr als wegen dieses Gentleman aus Paris, dieses Monsieur DuVille.«
Es war das erste Mal, daß sich Elizabeth in dieser Form an Whitney wandte, und wenn diese nicht so erbittert gewesen wäre, hätte sie sicherlich freundlicher reagiert. Aber so meinte sie lediglich: »Ich wäre Margaret zutiefst verbunden, wenn sie mir Mister Westland unter der Nase wegschnappen würde.«
»Dazu wird es wohl kommen«, meinte Elizabeth und verzog besorgt das hübsche Gesicht. »Denn sie hat ihn sich in den Kopf gesetzt.«
Nachdem er auch Elizabeth zu Margarets Kutsche geleitet hatte, plazierte er Whitneys Hand in seine Armbeuge und schlenderte mit ihr wie selbstverständlich zum einzigen Gasthaus des Ortes, um dort ein leichtes Mittagessen einzunehmen. Whitney war so erbost, daß sie kaum einen Bissen herunterbekam, und strafte ihn mit beharrlichem Schweigen.
Aber als er dann auf dem Heimweg die Kutsche vor dem von ihm gemieteten Anwesen anhielt, fand sie sehr schnell die Sprache wieder. »Falls Sie annehmen, ich würde auch nur einen Fuß in dieses Haus setzen, haben Sie sich gründlich geirrt«, beschied sie ihn hochmütig.
Ein Ausdruck unendlich strapazierter Geduld überflog sein Gesicht, und zum zweitenmal
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