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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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noch weitere Überlebende angekommen; ihre Fahrzeuge standen überall kreuz und quer über den Strand verteilt, und die Geräusche der Passagiere begannen gerade erst, das Innere der Felshöhlen zu beleben. Links stand ein altes Wohnmobil mit zugezogenen Vorhängen. Neben einem Baumwollzelt, dessen Tuch knatternd im Wind flatterte, lag ein halbes Dutzend Enduros im Sand, und an den Wänden der Höhlenfestung, die sie gerade erst zu erkunden begonnen hatten, lehnten zahlreiche Mountainbikes. Ein paar Wagen waren ganz am Rand als Windbrecher aufgestellt, allesamt veraltete Modelle, von einem verdreckten alten Ford-Lieferwagen bis zu einem uralten Buick, der inzwischen aus mehr Rost als Metall bestand. Nichts, das mit irgendeiner Elektronik ausgestattet war, hatte den Blackout überlebt, der den radioaktiven Wolken gefolgt war. Phoenix hatte gehört, wie jemand etwas von einem durch die Nuklearexplosionen ausgelösten elektromagnetischen Impuls gesagt hatte, aber er konnte mit der Bedeutung dieser Worte nichts anfangen.
    Die mutierten Pferde, auf denen er und seine Freunde hergekommen waren, schienen sich im Wasser ebenso wohl zu fühlen wie in der Luft, und die stacheligen Mähnen ihrer seepferdchenähnlichen Köpfe hüpften auf und ab, als sie riesige Wasserfontänen spritzend aus dem See getrabt kamen, in dem sie die Nacht verbracht hatten. Anscheinend wurden sie von dem Duft angezogen, den der dichte, braune Rauch aus dem Eingang der größten Höhle mit sich brachte. Phoenix kannte den Geruch nicht, aber ihm begann bereits das Wasser im Mund zusammenzulaufen.
    »Was ist das?«, fragte er mit vor Staunen bebender Stimme.
    »Bohnen mit Speck«, sagte sie kichernd.
    »Das riecht fantastisch.«
    »Willst du mir sagen, du hast das noch nie gegessen?«
    Er grinste, und seine Augen leuchteten. Seine Naivität hatte etwas sehr Charmantes.
    Überall erhoben sich Leute, an deren Gesichter er sich vage aus der vergangenen Nacht erinnerte, von ihren in respektvollem Abstand zueinander errichteten Nachtlagern, magisch angezogen von dem berauschenden Duft. Bald würden sie sehr eng zusammenrücken müssen – oder sie würden geschlachtet werden wie Schafe.
    Sie mussten sich gegen den kommenden Winter wappnen.

II
     
    IN DEN RUINEN VON DENVER, COLORADO
     
    Tod lehnte sich auf seinem Knochenthron zurück, errichtet aus den Überresten jener, die nach Westen gezogen und dem Schwarm schutzlos ausgeliefert waren, als er über sie herfiel. Ihre Häute erstreckten sich von der Decke bis zum Boden, zusammengenäht zu einer Art Zelt in der Mitte des obersten Stockwerks des schiefen schwarzen Turms. Alles andere war durch die zerschmetterten Fenster hinausgeworfen worden, um dieses Gefühl von Isolation zu erzeugen, nach dem es ihn verlangte. Das einzige Licht in dieser Kammer, auch wenn er es nicht brauchte, um etwas zu sehen, kam von dem leuchtenden Schimmer in seinen goldenen Augen. Selbst in vollkommener Dunkelheit konnte er die Umrisse jedes einzelnen Knochens, aus dem sein Thron bestand, und die zerfledderten Häute dazwischen erkennen. Zerbrochene Rippen und zerschmetterte Schädel waren zu einer Art Hügel aufgehäuft, auf dem er über seinen Untertanen thronte.
    Tod schloss seine Augen, um sich zu konzentrieren, und der gezackte, mit roten Schuppen besetzte Hautlappen unter seinem Kinn zitterte wie das Cape eines Toreros. Er sah jetzt durch die Augen von Hunger – ihr gemeinsames Bewusstsein ermöglichte ihm ungehinderten Zugang zu den Gedanken seiner Helfer. Wie eine Chimäre kauerte der weiße Reiter auf der Spitze des Turms. Seine Haut glänzte milchig weiß wie das Innere einer Muschel, blaue Blitze zerrissen den Himmel, und er starrte dreißig Stockwerke in die Tiefe auf den verbrannten Boden. Riesige Pfützen aus geschmolzenem Metall brannten in einem Ring um den Fuß des Turms und spuckten wabernde Wolken aus Rauch und Feuer in den von Donner grollenden Himmel. Dazwischen huschten die leuchtenden Augen des Schwarms hin und her wie Glühwürmchen in einem Vulkankrater. Er hob seinen Blick von dem Gewimmel am Fuße der Festung hinauf zum Horizont, wo eine schier endlose Flut ihrer Untergebenen der Spur der Verwüstung folgend aus den östlichen Ebenen herbeiströmte. Fackeln leuchteten aus den Schädeln, die aneinandergereiht links und rechts die Straße säumten, befeuert mit dem ranzigen Fett der ringsum verwesenden Körper. Wo einst blühende Wiesen und ertragreiche Felder gewesen waren, wand sich jetzt knotiges

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