Sturm der Seelen: Roman
Himmelsrichtungen verstreut. Alles, was es jetzt noch gab, war der Schwarm. Ihre eidechsenartigen Körper Schulter an Schulter aneinandergepresst standen sie an der Kreuzung, und ihre phosphoreszierenden Augen leuchteten wie Funken in einem schwelenden Feuer. Die Luft vibrierte von ihren Zischlauten, und die schuppigen Hautsäcke unter ihren breiten Kiefern blähten sich drohend, während sie um ihre Rangordnung kämpften. Die Schwächsten von ihnen bedeckten die Gehwege links und rechts, ihre Knochen blankgenagt von ihren stärkeren Artgenossen.
Krieg erhob seine Faust. Lange, spitze Stacheln ragten aus seinen Fingerknöcheln, und sofort erstarb jede Bewegung, das Zischen wurde zu völliger Stille. Zufrieden betrachtete er die Schar seiner Untergebenen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet; dann senkte er seinen Arm und nickte kaum merklich. Sein Blick wanderte zu den riesigen Schmelztiegeln, die über den großen Feuern rund um die Festung aufgehängt waren. Tiefschwarzer Rauch quoll aus der blubbernden Flüssigkeit wie Lava aus einem Vulkan, und immer wieder schwappten Spritzer geschmolzenen Metalls über den Rand.
Die Menge um ihn herum erwachte wieder zum Leben, hastete Telefonmasten und Verkehrsampeln hinauf und stürzte sich in das flüssige Metall. Ihr Zischen steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Schrei, während ihre Körper in dem glühenden Magma zappelten, um sich schließlich halb bewusstlos über den Rand zehn Meter in die Tiefe fallen zu lassen. Kaum noch lebendig krochen sie nur weg von dem Feuer neben ihnen, bevor einer ihrer Artgenossen auf sie fallen konnte, und das geschmolzene Metall auf ihren Schuppen schimmerte wie flüssiges Quecksilber. Dann kühlte das Metall langsam ab und wurde hart, bildete einen dünnen Panzer, und nur an den Gelenken bröckelte ein wenig davon ab, sobald sie sich bewegten. Die Schreie wurden zu einem Crescendo des Schmerzes und drangen schließlich bis an Tods Ohren, der noch immer in seiner Kammer unterhalb der Spitze des Wolkenkratzers saß. Er wandte seinen Blick von den metallisch schimmernden Körpern ab und sah wieder durch seine eigenen Augen. Ihre Vorbereitungen waren bald beendet, und dann würden sie ihren Marsch nach Westen beginnen, um die letzten Überlebenden auszulöschen, die sich am westlichen Ufer des Großen Salzsees sammelten.
III
MORMON TEARS
Adam kratzte die letzten Reste der braunen, mit Zucker gesüßten Bohnen zusammen, leckte den Rest der Sauce von seinem Papierteller und warf ihn dann ins Feuer. Die letzte warme Mahlzeit hatte er gegessen, kurz bevor der Panzer das Flüchtlingslager dem Erdboden gleichgemacht hatte, aber daran konnte er sich nicht einmal erinnern. Das alles war vor seiner endlosen Wanderung durch die Höhlen von Ali Sadr gewesen, vor dem Flug über den Atlantik und bevor er in einem Helikopter und später auf dem Rücken eines geflügelten Hengstes fast ganz Amerika überquert hatte. So vieles war geschehen, seit er sich das letzte Mal mit einer anständigen Mahlzeit irgendwo hingesetzt hatte. Er musste lachen bei dem Gedanken daran, was er wohl erwidert hätte, wenn ihm jemand bei seinem letzten Abendessen erzählt hätte, dass er seinen nächsten Teller mit warmem Essen in einer verrauchten Höhle am Ufer eines großen Salzsees in Utah verspeisen würde, und zwar nachdem die Welt untergegangen war. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was er damals gegessen hatte, also stand er einfach auf und streckte sich, bis seine Finger die niedrige Höhlendecke über ihm berührten. Sein Rücken knackte, und einen Moment lang starrten ihn alle an, ihre Teller auf dem Schoß, mit dem Rücken an die nackte Felswand gelehnt, wandten ihren Blick aber schnell wieder ab. Die Verzweiflung lastete schwer auf jedem der hier Anwesenden, sie war regelrecht greifbar, Angst und Furcht vor dem Unbekannten trieben sie dazu, ihre Aufmerksamkeit nach innen zu richten, machten sie zu in sich gekehrten Beobachtern, die stumm dasaßen und warteten … Doch worauf? Dass jemand das Kommando übernehmen und sie führen würde?
Adam sah zu Peckham hinüber. Eigentlich war er der ranghöchste Offizier aus ihrer Dreiergruppe, zumindest war er das gewesen, bevor der Krieg die Welt für immer verändert hatte, doch jetzt saß er nur da, die Bohnen auf seinem halb leergegessenen Teller wurden langsam kalt, und starrte ausdruckslos ins Leere. Norman kippte einfach zur Seite vor Erschöpfung, und sein leerer Teller fiel klappernd
Weitere Kostenlose Bücher