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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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wie er zunächst gedacht hatte, sondern aus Holzstäben. Norman zog vorsichtig an dem Schilfseil, von dem das Bündel zusammengehalten wurde. Es riss sofort, und die Stäbe fielen laut klappernd um seine Füße herum auf den Boden.
    »Was war das?«, fragte Adam, der sich gerade über die Luke beugte.
    »Der ganze Raum ist voll mit diesem Zeug«, sagte Norman und streckte Adam zwei der Holzstäbe entgegen. Adam nahm jeden in eine Hand und hielt sie leicht schräg, um die angespitzten Enden genauer betrachten zu können.
    Sein Herz blieb augenblicklich stehen.
    Er blickte hinunter zu Ray, der mit seiner Fackel in der Hand immer noch das Wandgemälde inspizierte, und neben ihm sah er sich selbst – genau so abgebildet, wie er in diesem Moment auf dem Dach des Pueblos kauerte.

XIV
     
    MORMON TEARS
     
    Jill fühlte sich langsam wieder wie sie selbst. Das Frühstück aus Bohnen, das eigentlich eher zur Mittagszeit stattgefunden hatte, trug seinen Teil dazu bei, aber in Wirklichkeit war es die einfache Tatsache, mit April und Darren am Strand zu sitzen und dem gleichmäßigen Auf und Ab der Brandung zuzusehen, die ihr die Möglichkeit verschaffte, ein paar kostbare Momente Normalität zu erleben. Ihre Gedanken wanderten immer wieder zurück zu Tina, umso mehr, weil Ray auf einmal verschwunden war. Ihr Tod erschien vollkommen irreal, als würde sie jeden Moment den Strand entlanggehüpft kommen, so voller Leben wie eh und je; zumindest konnte Jill hoffen, dass dieses Surreale – und nicht eine generelle Abgestumpftheit – der Grund dafür war, warum nicht einmal der Tod einer engen Freundin sie berührte. Sie hatte Tina fast wie eine Schwester geliebt, und deshalb belastete es sie umso mehr, dass sie über ihren furchtbaren Tod nicht einmal eine einzige Träne vergießen konnte.
    Sie waren ein ganzes Stück weit von ihrem Lager entfernt und konnten die anderen kaum noch sehen. Ohne all die unbekannten Gesichter um sie herum fühlte sie sich fast, als wäre sie im Urlaub. Nur zu dritt saßen sie im Sand, beobachteten die seltsamen roten Vögel und schauten hinaus auf diesen See, der so endlos schien wie ein Ozean. April und Darren berührten einander fast ständig, die Phase des ungeschickten Flirtens war vorüber. Innerhalb weniger Tage waren sie über anfänglich nur verstohlene Blicke beinahe zu einer Einheit zusammengewachsen. Jill freute sich aufrichtig für sie, doch gleichzeitig kam es ihr vor, als würden die beiden, je näher sie aneinanderrückten, sich immer weiter von ihr entfernen. Darren beugte sich zu April hinüber, um sie zu küssen, und Jill musste wegsehen. Eine einsame Silhouette, so weit weg, dass sie nicht erkennen konnte, wer es war, kam auf sie zu. Doch Jill konnte sich schon denken, wer das war.
    »Ich geh mal wieder zurück zu den anderen«, sagte sie, die schmatzenden Geräusche der beiden frisch Verliebten im Ohr. »Wir treffen uns dann beim Feuer wieder, okay?«
    Nebel stieg von ihren Lippen auf, während sie diese Worte sprach, und Schauer von Gänsehaut jagten über ihre Arme. Scharf und kalt stach die Luft in Jills Lunge, und obwohl sie wusste, dass es in Oregon so gut wie nie schneite, hatte sie tief in ihrem Inneren nicht den geringsten Zweifel, dass die ersten Flocken bald fallen würden. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper gegen die Kälte, dann ging sie mit schnellen Schritten zurück über den Strand.
    »Alles in Ordnung bei dir, Jill?«, rief April ihr nach, während sie ihren Kopf auf Darrens Schulter legte.
    »Klar … alles in Ordnung. Mir wird nur langsam kalt, das ist alles.«
    »Sollen wir mitkommen?«, fragte Darren.
    Jill schüttelte den Kopf, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Schon gut. Vergnügt ihr beiden euch ruhig mal ein bisschen alleine.«
    »Darauf kannst du wetten!«, gab Darren zurück.
    April ließ ihre Hand über seinen Oberschenkel gleiten und zwickte kräftig zu.
    »Aua! Wofür war das denn?«
    »›Darauf kannst du wetten‹«, sagte April, wobei sie an dem Versuch, seine Stimme zu imitieren, kläglich scheiterte.
    »Das war doch nur ein Witz, um Himmels willen …«
    April schnitt ihm das Wort ab und presste ihre Lippen auf die seinen.
    Lächelnd ging Jill weiter – zum einen, weil sie wusste, dass April und Darren gut füreinander waren, hauptsächlich aber deshalb, weil die Gestalt, die ihr über den Strand entgegenkam, jetzt so nahe war, dass sie sie erkennen konnte.
    Mares Gesicht hellte sich auf, als er Jills Lächeln sah.
    »Da steckst du

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