Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
Vom Netzwerk:
immer höher auftürmenden Scheiterhaufen gestellt. Ein Mann, den keiner von ihnen bisher gesehen hatte, schüttete den Inhalt eines Benzinkanisters auf das Holz und kniete sich in respektvollem Abstand neben die Feuerstelle. Dann zog er ein Feuerzeug aus seiner Tasche und streckte seinen Arm so weit aus, wie er nur konnte. Der Feuerstein spuckte Funken, und schon war das aufgestapelte Holz in einen bläulichen Feuerball gehüllt.
    Der Himmel wurde langsam dunkel, schwarzer Rauch stieg in dichten Schwaden von dem Holz auf, das weit mehr Rauch als Flammen zu produzieren schien. Ein steifer Wind kam pfeifend über den See gefegt und hüllte sie in einen Schwall eiskalter Luft, drangsalierte sie mit ersten Schneefetzen.
    »Fühlt sich an, als wäre es gerade um zehn Grad kälter geworden«, sagte Jill und zog verstohlen ihren Arm unter Mares Ellbogen heraus, um ihn wieder an ihren Oberkörper zu pressen.
    Die vereinzelten Grüppchen auf dem Strand bewegten sich auf das Lagerfeuer zu. Es mussten mittlerweile über hundert Menschen sein. Jill hatte die Ankunft der Neulinge nicht mitbekommen, aber jetzt, da sie sich alle um die einzige Wärmequelle versammelt hatten, die sie hatten, entdeckte sie einen alten, hellblauen Schulbus mit dem Schriftzug Calvary Advenist Youth Group, einige Zweiräder, motorisiert und nichtmotorisiert, und ein paar neue Zelte.
    »Hallo, kleiner Bruder«, sagte Missy und raufte Mare die Haare.
    »Hey, Miss. Was geht denn hier ab?«
    »Sie wollen eine Versammlung abhalten.«
    »Was ist mit diesem gruseligen Albino passiert?«
    Missy knuffte ihn in die Schulter. »Phoenix ist oben in den Felsen und hilft beim Holzsammeln. Und abgesehen davon ist er so ziemlich der netteste Typ hier weit und breit.«
    »Jetzt verletzt du aber meine Gefühle!«
    »Du weißt, dass ich dich liebe, Mare, aber manchmal bist du ein richtiger …«
    »Kommt her, alle!«, rief Richard und kletterte auf den bereitgestellten Stuhl, damit alle ihn sehen konnten.
    »Was hat das alles zu bedeuten?«, flüsterte April wie aus dem Nichts in Jills Ohr, die überrascht zusammenzuckte.
    »Ich weiß es auch nicht genau …«
    »Es ist an der Zeit, uns vorzubereiten«, schrie Richard und breitete die Arme aus. »Wie ihr alle ohne den geringsten Zweifel sehen könnt, hat uns der Winter bereits eingeholt. Wir können es uns nicht leisten, noch länger hier mitten im Nirgendwo auszuharren. Was tun wir hier, wenn es erst richtig kalt wird? Was geschieht, wenn unsere lächerlichen Essens- und Trinkwasservorräte zur Neige gehen?«
    Jill beobachtete Richard. Seine Erscheinung hatte etwas Gebieterisches. Er stand genau gegenüber von ihr, auf der anderen Seite des Lagerfeuers. Die züngelnden Flammen im Vordergrund ließen den Eindruck entstehen, als stünde er selbst in Flammen, und sein Gesicht wurde von einem rötlichen Schein erhellt. Mal war sein Gesicht deutlich zu sehen, dann wurde es wieder von den Rauchschwaden verhüllt, die der Wind mal hier-, mal dorthin wehte.
    »Wir müssen eine Zufluchtsstätte finden, bevor die Elemente uns alle umbringen, bevor …« Er machte eine dramatische Pause und ließ seinen Blick über die versammelte Menge schweifen, damit auch ja jeder Einzelne seine nächsten Worte hören würde. »Sie kommen.«
    Eine weitere Rauchschwade verbarg ihn vor Jills Augen. Durch die Menge ging ein Raunen, während irgendwo hinter den wabernden Sturmwolken die unsichtbare Sonne unterging. Eine eisige Böe kam vom See herangefegt und wehte Flammen und Rauch fast waagrecht in Richtung des Eingangs der Höhle.
    Jill schrie auf.
    Richards Gesicht war durchsichtig, sein knöcherner Schädel deutlich zu sehen. Seine Augen waren leere, schwarze Höhlen, nackte Zähne spuckten seine Worte aus einem lippenlosen Mund. Die Totenfratze schloss ihre Kiefer, und obwohl die Augen fehlten, wusste Jill, dass Richard sie direkt ansah.
    Ihr Kopf begann sich zu drehen, und ihre Knie gaben nach. Dann fiel Jill flach auf ihren Rücken. Sie blickte hinauf in den sich rasch verdunkelnden Himmel, während sich die Umstehenden aus allen Richtungen über sie beugten. Aprils Gesicht war dem ihren am nächsten, daneben sah sie Mare und Darren, die sie ebenfalls anstarrten, und noch ein paar andere, die sie nicht kannte. Aber die meisten hatten ohnehin keine Gesichter mehr, es waren nur ihre nackten Schädel, die sie begafften.
    Kreischend strampelte sie sich wieder auf die Beine, um nur wegzukommen, nichts als weg. Aber alles, was sie sah, waren

Weitere Kostenlose Bücher