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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Weiter oben schwebte Phoenix, mitten in der Luft, die Arme zur Seite ausgestreckt und von einer Kugel aus Licht umgeben. Das Bild strahlte eine eigenartige Schönheit aus, hatte aber auch etwas Beunruhigendes an sich: Phoenix’ Körperhaltung erweckte den Eindruck, als sei er gekreuzigt worden.
    »Verdammte Scheiße«, flüsterte Norman. Adam drehte sich zu ihm um und sah, wie alle Farbe aus dem Gesicht des Sanitäters wich. »Das bin ja ich.«
    Adam folgte seinem Blick. Norman starrte auf ein einigermaßen unheimliches Konterfei seiner selbst, das ihn mit kohlschwarzen Augen anblickte. In der Hand hielt er etwas, das aussah wie eine Axt. Der Anblick erinnerte Adam an einen Holzfäller.
    »Wie kann es sein, dass jemand mich so … perfekt gezeichnet hat … vor so langer Zeit?«, stammelte Norman.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Adam und ließ seine Augen über den Rest des Felsengemäldes wandern. Er erkannte noch weitere Gesichter, die er draußen am Strand gesehen hatte. Viele hatten ebenso schwarze Augen wie Norman, andere wiederum waren ganz normal blau, grün oder braun. Und alle waren sie umgeben von einem Kreis aus schwarz-gelb marmorierten Augen, die hinter ihnen in der Dunkelheit auf etwas zu lauern schienen.
    »Was hat das zu bedeuten? Warum habe ich auf dem Bild so komische Augen?«, fragte Norman weiter.
    »Ich wünschte, ich wüsste es«, erwiderte Adam, beunruhigt darüber, wie sehr diese schwarz-gelben Augen ihn an den Anblick in dem Haus erinnerten, aus dem sie Phoenix befreit hatten.
    »Ganz ehrlich, Mann, wenn ich das so sehe, scheiß ich mir fast in die Hose vor Angst.«
    »Ich auch«, sagte Adam und beobachtete, wie Ray ein Stückchen weiter rechts seine Fackel ganz dicht an die Wand hielt, um irgendein Detail besser erkennen zu können.
    Auch er war auf dem Gemälde abgebildet. Er hielt einen Arm vor der Brust, in der Hand ein Messer. Es sah so aus, als würde er jeden Moment damit zustoßen, und im Gegensatz zu allen anderen hatte er seine Augen fest geschlossen.
    Unsicher griff Ray in die Kängurutasche seines Sweatshirts und tastete nach dem Dolch.
    Benutze ihn, sobald die Zeit dafür gekommen ist , flüsterte Tinas Geisterstimme in seinem Kopf.
    »Woher wusstest du von dieser Wandzeichnung?«, fragte Adam.
    Ray zuckte zusammen. Er war wie hypnotisiert gewesen von dem Bild und hatte alles um sich herum vergessen.
    »Ich … ich wusste es gar nicht«, stammelte er und ging zurück zu dem Pueblo, wo Norman bereits eine der Leitern hinaufkletterte, nachdem er die ersten paar Sprossen zunächst einem Belastungstest unterzogen hatte, um sicherzugehen, dass sie sein Gewicht auch tragen würden. Die Fackel in der einen Hand kletterte er, sich mit der anderen an der Leiter festhaltend, hinauf bis aufs Dach.
    »Siehst du irgendeinen Eingang?«, rief Adam hinauf, während Norman sich vorsichtig über das unter seinen Schritten knackende Strohdach bewegte.
    »Hier scheint eine Luke zu sein.« Norman kniete sich hin, griff mit einer Hand nach einer hölzernen Klappe und zog daran. Eine dicke Staubwolke schlug ihm entgegen, Norman hustete und wedelte heftig mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Dann hielt er das brennende Ende seines Astes in die Luke und konnte einen kleinen Teil eines quadratischen Raumes darunter erkennen. Er schien keine Türen oder Fenster zu haben, Norman sah nur einen groben, handgewebten Teppich auf dem Boden, zentimeterdick mit Staub bedeckt, und mehrere Bündel aus, wie es aussah, Dutzenden von Maisstängeln, zusammengehalten von groben Schilfseilen.
    »Kannst du mir mal helfen?«, rief Norman über seine Schulter zurück nach unten, und seine Stimme hallte durch die ganze Höhle. Dann setzte er sich hin und ließ seine Beine durch die Luke baumeln, schob mit seiner Fackel das Gewirr von Spinnweben in dem Raum darunter beiseite und ließ sich schließlich hinunterfallen. Kaum unten angekommen, schwang er den brennenden Ast wie wild nach allen Seiten und durchtrennte so viele der staubigen Fäden wie möglich, um das grausige Gefühl loszuwerden, dass die Spinnen gleich über jeden Quadratzentimeter seiner Haut krabbeln würden. Mit seinen eins achtzig war er nicht gerade ein Riese, dennoch konnte er unter der niedrigen Decke nicht aufrecht stehen. Er zog sich sein Hemd über Nase und Mund als Schutz gegen den Staub und watete regelrecht durch eine mehrere Zentimeter dicke Staubschicht, bis er das erste Bündel erreichte. Es bestand gar nicht aus Maisstängeln,

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