Sturm der Seelen: Roman
könnt ihr machen, wenn ihr tot seid! Und jetzt wieder an die Arbeit mit euch!«
»Wir sind müde!«, schrie der Mann zurück. »Wir arbeiten ununterbrochen seit über …!«
Garrett richtete sein Gewehr auf ihn und zielte gerade so weit daneben, dass er den Kopf des Mannes verfehlen, dieser aber die Kugel an seinem Ohr vorbeisurren hören würde.
Peng!
»Gottverdammt!«, schrie der Mann und griff nach seinem Ohr. Die Kugel hatte den Knorpel gestreift, von dem jetzt das Blut tropfte. »Du hast … du hast mich getroffen!«
»Nagelt dieses verdammte Fenster zu, oder ich schwöre euch, diese Monster werden noch ganz andere Sachen mit euch machen!«
Die beiden anderen schnippten ihre Zigaretten in den Schnee und machten sich wieder an die Arbeit, ohne auch nur aufzusehen. Der Dritte hielt unterdessen eine Hand auf sein ausgefranstes Ohr gepresst, während er sich mit seinem Gewicht gegen die Bretter lehnte, damit die anderen sie am Fensterrahmen festnageln konnten.
Wo gehobelt wird, fallen Späne hatte sein Vater immer gesagt. Er war tatsächlich Schreiner gewesen, aber Garrett hielt dieses Sprichwort so oder so für eine der wertvollsten Lebensweisheiten. Als er noch Football spielte, versuchte er stets mit voller Absicht seinen Gegenspielern ein Knie zu verdrehen und machte sich überhaupt jedes Handgemenge zunutze, um etwas zu tun, bei dem normalerweise unweigerlich die Fahne eines der Schiedsrichter hochgegangen wäre: dem Gegner einen Daumen ins Auge drücken; kräftig am Hodensack ziehen; Finger nach hinten umbiegen, ja sogar kratzen. Ein Mann musste bereit sein zu tun, was immer nötig war, um die Nase vorn zu haben. Am College hatte er es mit dieser Einstellung weit gebracht – zumindest bis er sich bei der NFL Combine das Kniegelenk auskugelte -, und, was noch viel wichtiger war, sie hatte ihn fit gemacht fürs Leben. Ohne Football wäre er an seinem College ein Niemand gewesen, ein Student wie jeder andere, nur physisch kräftiger und mit einem imposanten Körperbau ausgestattet, der ihm später noch so manche andere Tätigkeit als Bodyguard oder Rausschmeißer verschafft hatte.
Sein Vater hatte recht gehabt … größtenteils. Letztendlich hing Erfolg nicht davon ab zu akzeptieren, dass Späne fallen würden, sondern davon, erst gar nicht mehr darüber nachzudenken. Garrett hatte gelernt, dass man nur ein Exempel zu statuieren brauchte, damit die anderen begriffen, was ihnen blühte, wenn sie nicht parierten. Darin lag auch die tiefe Seelenverwandtschaft mit Richard. Die Frau zu töten war bedauerlich, genauso wie Peckhams Tod, aber es ging nun mal nicht um die beiden als Individuen. Es ging einzig und allein um die anderen, die das Gefühl haben mussten, dass jemand für ihre Sicherheit garantieren würde. Er fühlte sich zwar nicht ganz wohl mit der Lüge über den Hergang der Geschehnisse, aber er verstand Richards Beweggründe, und er hatte auch kein Problem damit, was er für das Wohl aller getan hatte. Niemand hatte große Lust, selbst in den Wald zu gehen, einen Baum zu fällen, ihn zu entrinden, dann zu zersägen und das Holz ein halbes Jahr lang trocknen zu lassen. Alle wollten nur das fertige Möbelstück, keiner hatte Interesse daran, sich beim Entstehungsprozess selbst die Hände schmutzig zu machen.
Wie dem auch sei. Sie würden überleben, sie hatten wieder eine Zukunft, und die war wohl ein paar Späne wert.
Garrett machte einen Schritt über die rauchende Patronenhülse, die gerade zu seinen Füßen den Schnee schmolz, und ging auf die andere Seite des Daches. Die Männer im hinteren Hof schienen die Arbeit niedergelegt zu haben, als sie den Schuss hörten. Doch als er auftauchte, fingen sie aber sofort wieder an und taten so, als hätten sie ihn nicht gesehen.
Der obere Teil des Zauns war bereits mit Stacheldraht umwickelt, und sie machten sich gerade daran, die Zwischenräume darunter damit auszufüllen. Und so wie auf der Vorderseite vernagelten sie auch hier bereits die Fenster im Erdgeschoss und würden bald mit den Balkonen in den Stockwerken darüber weitermachen. Ein Sattelzug kroch im Schneckentempo durch den Hinterhof, während die Männer und Frauen das Holz von dem offenen Anhänger herunterzogen und es in kleineren und größeren Haufen entlang des Zauns wieder aufschichteten. Hinter dem Sattelschlepper folgte ein Pick-up mit Benzinkanistern auf der Ladefläche.
Sobald einer der Wachposten oben auf den Türmen ihren Gegner anrücken sah, würden sie das Holz mit
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