Sturm der Seelen: Roman
schwarze Säule aus dem Loch in der Mitte, und alle blickten erwartungsvoll hinunter zum See. Langsam gingen sie auf die eisfreie Stelle zu, und Evelyn kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum, während die anderen angespannt auf die vier senkrecht aus dem trügerisch ruhigen Wasser ragenden Plastikschornsteine starrten.
»Vielleicht verweht der Wind den Rauch«, flüsterte Jill.
»Selbst wenn, müssten wir ihn trotzdem sehen können«, erwiderte Mare.
»Es dauert nur eine Weile, bis es ihn am anderen Ende der Rohre herausdrückt«, beschwichtigte Evelyn.
»Wenn es überhaupt funktioniert«, warf Darren ein und machte sich auf den Weg zurück zur Höhle, wo sich die anderen in neugieriger Erwartung versammelt hatten, bevor sie zurück an ihre Arbeit gehen würden.
»Es wird funktionieren«, erwiderte Evelyn.
»Und was, wenn nicht?«
»Es wird.«
»Ich sage nur, dass wir uns überlegen sollten, was wir als Nächstes probieren könnten, wenn …«
Seine Stimme erstarb, als sich der erste Rauchfinger aus einem der Rohre erhob, kurz darauf gefolgt von seinen beiden Nachbarn, bis schließlich auch der vierte Schornstein munter qualmte.
»Es funktioniert«, flüsterte Evelyn und atmete erleichtert auf. Es blieb zwar noch abzuwarten, ob der Rauch auch heiß genug war, um das Wasser an dieser Stelle weit genug zu erwärmen, aber falls nicht, konnten sie immer noch mehr Kohle auflegen. Der Punkt war, dass ihre Idee funktionierte. Der erste Test war geschafft, und wenn sie mit dieser Heizung ihren Seetang tatsächlich retten konnte, könnten sie auf der ganzen Breite des Strandes solche kleinen Zuchtstationen errichten.
»Du hast es geschafft!«, sagte Adam lächelnd und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Eine brillante Idee. Und wenn es klappt, dann werden wir alle …«
Evelyn klatschte aufgeregt in die Hände und kreischte regelrecht vor Begeisterung, dann wirbelte sie herum, packte mit ihren dreckigen, halb erfrorenen Händen Adams Gesicht und küsste ihn auf die Lippen. Genauso plötzlich drehte sie sich auch wieder weg, um sich weiter an ihrem Triumph zu weiden, als ihr mit einem Mal bewusst wurde, was sie da gerade getan hatte. Ihr Gesicht lief feuerrot an, und Evelyn hielt sich beide Hände vor den Mund. Hatte sie ihn wirklich geküsst?
Ganz langsam drehte sie sich wieder zu Adam um und dachte fieberhaft über eine Ausrede nach, was da gerade in sie gefahren war. Es lag an der Aufregung, sie hätte jeden geküsst, der in diesem Moment in ihrer Nähe war, ihr Kreislauf war im Keller, und sie konnte nicht mehr klar denken …
Doch als sie Adam in die Augen blickte, war er es, der ihr beide Arme um den Hals schlang und sie an sich zog. Evelyn konnte gerade noch die Hände von ihrem Mund nehmen, da presste er schon seine Lippen auf die ihren.
»Manchmal kann es verdammt hart sein, immer recht zu behalten«, sagte Lindsay, aber Evelyn ignorierte ihre Bemerkung und genoss stattdessen jedes Quäntchen Hitze des Feuers, das jetzt in ihrem Inneren brannte.
XXXIV
SALT LAKE CITY
Er hätte mit Richard gehen sollen. Schließlich hatte er geschworen, ihn zu beschützen, auch wenn er es nie ausgesprochen hatte, aber gegenüber sich selbst hatte er diesen Eid geleistete, und er nahm solche Dinge sehr ernst. Doch Richard hatte ihm eine noch viel wichtigere Aufgabe übertragen, und Garrett wusste das. Er war jetzt für das Leben von beinahe neunzig Menschen verantwortlich, und zusätzlich war er mit der höchst schwierigen Aufgabe betraut, das Hotel nicht nur für Richards Rückkehr vorzubereiten, sondern auch für die kommende Schlacht. Nachdem er mit eigenen Augen gesehen hatte, wozu diese Kreaturen in der Lage waren, musste er sichergehen, dass ihre Festung so gut wie uneinnehmbar war und selbst den entschlossensten Angriffen standhalten würde. Ihre größte Erfolgsaussicht bestand darin, ihre Feinde außerhalb des Zauns zu halten, wo sie sie vom Dach aus mit ihren Feuerwaffen erledigen konnten. Sobald diese äußere Verteidigungslinie aber einmal durchbrochen war, hätten sie nicht mehr die geringste Chance.
»Ihr da unten!«, brüllte Garrett vom Dach hinunter. Drei Männer, die gerade eine Zigarettenpause machen wollten, lehnten unten an der Vorderseite des Hotels und schauten zu ihm herauf. »Diese Fenster nageln sich nicht von allein zu!«
»… soll mal wieder runterkommen …«, hörte er einen der drei murmeln, so leise, dass er wohl glaubte, Garrett würde es nicht mitbekommen.
»Pause
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