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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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und die Bäume weniger. Schnee und Eis auf den verborgenen Seen und Tümpeln schmolzen unter der Hitze, die von den donnernden Hufen seines Reittiers ausging, und Dutzende seiner Echsenkrieger stolperten geradewegs hinein in das eiskalte Wasser, wo sie, kurzzeitig gelähmt von dem Temperaturschock, ihrem instinktiven Einatemreflex folgten und dann mit einer tödlichen Menge Wasser in der Lunge versanken wie Steine. Aber auch das spielte nicht die geringste Rolle. Die Stärke seiner Armee ging in die Zehntausende, weit mehr als genug, um mit den letzten Überlebenden der menschlichen Rasse kurzen Prozess zu machen. Sobald sie genügend ihrer Artgenossen im Eis hatten versinken sehen, würden sie lernen, nicht direkt hinter seinem Reittier herzulaufen – falls sie zu einer solchen Leistung überhaupt fähig waren, denn viele von ihnen folgten so dicht auf Donners Fersen, dass sie von seinen Flammen verbrannt einfach in den Schnee fielen, wo ihnen die anderen sofort das Fleisch von den Knochen rissen, die auf der Erde liegen blieben, um dort zu verrotten. Sie waren perfekte, hirnlose Killermaschinen, bis auf diesen einen mit der Narbe über dem Auge und dem Kehlsack, der in demselben Rot leuchtete wie Kriegs Rüstung. Selbst nach seiner Wiedergeburt in den Reihen der Verdammten hatte er sich ein Stückchen von seinem Geist bewahrt, und seine Augen leuchteten von einem Feuer, das sogar seinen eigenen Tod überdauert hatte.
    Die Sonne versank gerade hinter dem Gebirgszug vor ihnen, als sie die Grenze zu Utah überquerten. Ein Mantel aus Finsternis senkte sich über die Welt, und ihre leuchtenden Augen tauchten die umliegenden Schneefelder in ein gespenstisches Licht, während der Rauchschweif, den Donner hinter sich herzog, dunkel über der Landschaft lag wie ein schottisches Moor. Es galt, nur noch diesen einen Gebirgskamm zu überqueren, der wie das Gebiss eines Wolfs vor dem Nachthimmel aufragte, und das würden sie tun, lange bevor das erste fahle Glimmen am Horizont die nächste Morgendämmerung ankündigte.
    Wenig ahnte die Menschheit davon, dass der nächste Sonnenaufgang ihr letzter sein würde, dass die wenigen Sonnenstrahlen am trüben Himmel des darauffolgenden Tages auf nichts weiter herabscheinen würden als die unter Kriegs Füßen zu Staub zermahlenen Überreste ihrer Gebeine.

BUCH FÜNF
     

XXXIII
     
    MORMON TEARS
     
    Wenn sie auch nur irgendeine Chance haben wollten, rechtzeitig fertig zu werden, würden sie die ganze Nacht durcharbeiten müssen. Es war Adams Idee gewesen, sich in Schichten abzuwechseln. Jeder von ihnen würde zwei Stunden lang sein Äußerstes geben, seinen Körper bis an die Grenze belasten, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach, um sich dann nach einer kurzen Erholungsphase wieder an die Arbeit zu machen. Es würde genug Zeit bleiben, sich auszuruhen, wenn alles erledigt war: Entweder sie überlebten den Angriff auf wundersame Weise und konnten dann endlich einmal wieder beide Augen zumachen, ohne Angst haben zu müssen, im Schlaf abgeschlachtet zu werden, oder sie verloren die Schlacht, in welchem Fall die ewige Ruhe auf sie wartete. Im Moment schienen beide Möglichkeiten ihre Verlockung zu haben.
    Es dauerte fast eine Stunde, aber nachdem sie ihn entladen hatten, gelang es ihnen schließlich, den Anhänger des Trucks quer in dem Canyon zu verkeilen. Dann schütteten sie ihn mit Sand zu – er war jetzt das Fundament ihrer Talsperre. Als Nächstes errichteten sie darauf aus den Holzbrettern, die er geladen hatte, eine Art Baugerüst, das fast ebenso hoch aufragte wie die seitlich begrenzenden Felswände. Es schwankte und ächzte bei jedem stärkeren Windstoß, aber es musste auch nicht besonders lange halten. Ihr Plan war, es mit dem Benzin zu übergießen, das sie aus dem Tank des Trucks abgelassen hatten, sobald die Zeit dafür gekommen war: Das Gerüst musste nicht stabil sein, es musste brennen.
    Evelyns Vorhaben hingegen benötigte etwas mehr Planung und eine um einiges vorsichtigere Vorgehensweise. Zeit war der entscheidende Faktor. Der Seetang sah langsam aus, als wäre er definitiv nicht mehr zu retten, aber sie brachte es einfach nicht fertig, ihn ohne Kampf aufzugeben. Sie hatte die ganze Nacht hindurch gearbeitet, und jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, war sie endlich so weit, ihre Konstruktion zu testen. Zehn Meter vom Ufer des zugefrorenen Sees entfernt hatten sie ein Loch in den Strand gegraben. Es hatte gerade einmal einen Durchmesser von etwas über einem Meter und

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