Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
Vom Netzwerk:
nie«, sagte Richard und blickte auf den Horizont. Ursprünglich hatte er vorgehabt, am Ufer entlang weiterzufahren, bis sie nicht mehr weiterkamen und zu Fuß weitermussten. Aber jetzt schien sich die Möglichkeit einer Abkürzung zu bieten, mit der sie mehrere Stunden sparen konnten.
    Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen und lauschte angestrengt, ob das Eis sein Gewicht auch tragen würde. Falls er einbräche, würde ein langsamer und schmerzhafter Tod auf ihn warten. Doch er hörte nicht das geringste Geräusch, und der Untergrund schien nicht einen Millimeter nachzugeben. Er machte noch ein paar Schritte, dann stampfte er entschlossen auf. Noch ein paar Schritte, nochmal Stampfen.
    »Was tun Sie da?«, fragte einer der Männer. Mittlerweile standen sie zu dritt auf dem Eis, und es hielt immer noch. Er war mit seinem Motorschlitten schon ein ganzes Stück weiter hinausgefahren, ohne einzubrechen, aber vielleicht hatte das auch nur an seiner Geschwindigkeit gelegen.
    »Wir sind hier auf dem See«, sagte Richard. Er stampfte noch einmal auf, um ihnen zu zeigen, was er meinte. »Sehen Sie? Zugefroren.«
    Die beiden Männer machten einen Satz nach hinten, als stünden sie vor einer Schlangengrube.
    »Mein Gott«, flüsterte der eine. »Wie konnte das so schnell gehen?«
    »Wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, dann ist es, eine Gelegenheit niemals zu hinterfragen, wenn sie sich bietet. Man muss sie einfach beim Schopf packen.«
    »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich da rausfahre«, erwiderte der Mann und ging weiter rückwärts.
    »Dann werden Sie wohl den längeren Weg nehmen müssen.«
    »Klingt nach noch mehr frieren.«
    »Genau, und das vollkommen umsonst, während wir anderen schon seit Stunden um ein warmes Feuer herumsitzen und unsere weitere Vorgehensweise besprechen.«
    »Es heißt ja, Ertrinken wäre ein schöner Tod«, erwiderte der Mann und trat vorsichtig auf das Eis, bis er genug Vertrauen hatte, ein paarmal auf und ab zu springen. »Und mir gefällt die Idee mit dem Feuer.«
    Lächelnd ging Richard auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Klingt, als hätten Sie die richtige Entscheidung getroffen«, sagte er und ging zurück zu seinem Schneemobil.
    Die anderen hatten sie beobachtet, hielten sich mit ihrem Urteil aber anscheinend noch zurück.
    »Sie sagen, das ist der See?«, fragte Bruce.
    Richard nickte.
    »Zugefroren, wie?« Bruce zuckte die Achseln. »Auf was warten wir dann noch?«
    »Fahren Sie voraus, mein Freund«, sagte Richard und stieg auf seinen Motorschlitten. Gut , dachte er, wenn das Eis uns doch nicht trägt, erwischt es ihn als Ersten . Vielleicht würde ihm dann noch genug Zeit bleiben, um zu reagieren und ein ähnliches Schicksal zu vermeiden. Richard wollte gerade den Motor anlassen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah.
    Er saß ganz still und bewegte nicht einmal den Kopf, um genauer hinsehen zu können, stattdessen nahm er ganz langsam das Gewehr von seiner Schulter. Was er da am Rande seines Gesichtsfelds sah, war kaum mehr als ein kleiner Fleck von einem anderen Weiß als der Schnee darum herum. Richard hob ganz langsam den Lauf und brachte sein Gewehr in Anschlag. Dann hielt er den Atem an, schwang die Waffe herum und drückte sofort ab, sowie das elfenbeinfarbene Etwas in seinem Zielfernrohr auftauchte. Die großen Schwingen entfalteten sich viel zu spät, die Schrotladung schlug mitten durch das Brustbein des Vogels und riss den Körper in einer Fontäne aus Blut nach hinten.
    Richard hörte, wie die anderen aufschrien, ihre Waffen zogen und damit in alle möglichen Richtungen zielten, in der Erwartung, sie würden jeden Moment angegriffen, aber Richard stieg ganz ruhig von seinem Fahrzeug herunter und stapfte hinaus in den Schnee. Er kletterte über den Felsbrocken, auf dem das Tier gesessen hatte, und blickte hinunter auf dessen Überreste, sah, wie der Wind die bauschigen Federn wegwehte wie Pusteblumensamen. Er packte den Kadaver bei den Füßen und hob ihn mit dem Kopf nach unten hängend hoch. Rinnsale aus Blut ergossen sich über das seidig schimmernde Federkleid, flossen den goldenen Schnabel entlang und tropften von dort auf den Boden.
    »Was ist los?«, fragte Bruce, der jetzt hinter Richard auf dem Felsen stand, den Lauf seiner Waffe in seine Richtung gerichtet.
    »Nur ein Vogel.« Er warf den Kadaver weg und wollte gerade wieder zurückgehen, als er ihm das Muster auffiel, das das Blut im Schnee hinterlassen hatte: Die

Weitere Kostenlose Bücher