Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
schallend an zu lachen.
Die Tage zogen sich dahin. Es war warm, zu Mittag bisweilen sogar schon heiß, fast wie im Sommer. Doch je weiter sie nach Norden kamen, desto kälter wurde es wieder.
Am Rand eines Dorfes brachte Gritha das Boot dann zum Halten.
»Was ist jetzt schon wieder?«, fragte Hiram, der sofort nach seiner Armbrust griff.
»Wir warten.«
Alte Nester von Mauerseglern spickten das Steilufer. Etwas zurückgelagert stand ein massives, von einem hohen Eichenzaun gesäumtes Holzhaus mit einem Steg zum Fluss. Nach wenigen Minuten öffnete sich eine Tür im Zaun und ein breitschultriger Mann mit schwarzem Haar kam auf sie zu. Algha meinte, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben, konnte sich jedoch beim besten Willen nicht daran erinnern, wo.
»Du bist schneller als der Wind, Magand«, begrüßte ihn Nayl, der gerade aus dem Boot kletterte. »Wenn du noch vor uns hier eingetroffen bist.«
»Vielleicht bist du ja mit dem Wind geflogen«, schlug Hiram lachend vor.
»Warum nicht?«, erwiderte Magand grinsend. »Der Wind ist schließlich ein Freund des Kühnen.«
In diesem Augenblick erkannte Algha ihn: Es war der Kerl, dem Ka befohlen hatte, den verletzten Mylord Lofer fortzubringen.
»Was ist mit diesem Waschlappen?«, wollte Nadel wissen.
»Dem ist es ergangen wie allen Waschlappen: Er ist unterwegs krepiert. Bis zum Medikus … hat er es leider nicht mehr geschafft.«
Diese Nachricht zog Algha den Boden unter den Füßen weg, und zum ersten Mal, seit sie in Gefangenschaft geraten war, brach sie vor ihren Feinden in Tränen aus.
In dem großen und hellen Zimmer roch es nach Lungenkräutern. Algha saß am Tisch, mit unsichtbaren Schnüren an Händen und Füßen gefesselt, und starrte aufs Tischtuch. Dieses war sauber, strahlend weiß und von geschickter Hand mit einem winterlichen Muster bestickt. Die Küchentür stand sperrangelweit offen, von dort drang der Geruch nach frisch gebackenem Kuchen heran. Geschirr klapperte, Stimmen waren zu hören. Bis dann unvermittelt Stille eintrat.
Algha zuckte zusammen und linste zur Tür hinüber. Ihr Herz hämmerte wie wild: Sie hatte abermals versucht, einen Zauber zu wirken – und abermals nur den Stachel des Skorpions zu spüren bekommen.
Alles um sie herum drehte sich, und sie drohte, in Ohnmacht zu fallen. Schon im nächsten Augenblick ließ der betäubende Schmerz jedoch nach. Nur über ihre Schläfen rannen noch dicke Schweißperlen, und sie atmete keuchend.
»Du bist entweder dumm oder stur.«
Ka stand in einfacher Bauerntracht mit der Schulter gegen den Türpfosten gelehnt da und musterte sie.
»Vergiss deinen Funken ein für alle Mal«, knurrte er.
»Früher oder später werde ich meine Gabe zurückerlangen«, erwiderte Algha, die sich zwang, diese Worte auch zu glauben.
»Ich fürchte, dafür wird dir keine Zeit bleiben. Deine Stunden sind gezählt, kleine Schreitende.«
»Du jagst mir keine Angst ein, Zauberer!«
Seine hellen Augen verfinsterten sich, und er blähte die Nasenflügel.
»Warum sollte ich dir Angst einjagen?«, schnaufte er. »Ich bringe auch so in Erfahrung, was ich wissen will. Und danach stirbst du.«
Verbissen aufs Tischtuch starrend, schluckte Algha jede Erwiderung hinunter.
»Bisher musste ich mich noch um eine andere Angelegenheit kümmern, aber nun kann ich mich ausschließlich mit dir beschäftigen, Mädchen. Und mit deinen Geheimnissen. Glaub mir, es wäre besser für dich, mir aus freien Stücken zu erzählen, wo der Heiler und seine Herrin sich aufhalten.«
»Du bist genauso dämlich wie dein werter Herr Bruder!«, parierte sie, innerlich darüber frohlockend, dass ihre Stimme nicht zitterte. »Sonst hättest du nämlich längst begriffen, dass ich von irgendwelchen Heilern nicht das Geringste weiß.«
Für seine ungeheure Körpermasse bewegte sich der Nekromant außerordentlich flink. Algha entging sogar die Bewegung, mit der er zum Schlag ausholte. Sie schrie nur noch auf, als der Handrücken ihre Lippen traf.
»Für seinen Tod wirst du noch büßen. Aber später.«
»Diesen Schlag werte ich bereits als Vorschuss«, spie sie aus.
O nein, Ka würde keine Tränen von ihr sehen, sie würde ihm keine Gelegenheit bieten, sich an ihrer Angst und ihrem Schmerz zu weiden.
Nun zog er einen Stuhl heran, nahm ihr gegenüber Platz und stellte eine kleine gläserne Pyramide auf den Tisch. Algha betrachtete den ihr unbekannten Gegenstand mit finsterer Miene und rechnete mit dem Schlimmsten. Ka hüllte sich in
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