Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
zerschlagen worden wäre! Mithipha hätte die Straßen nach Westen abriegeln sollen, damit aus Morassien keine Unterstützung fürs Imperium eintrifft. Dieses Loch werden wir auf gar keinen Fall mehr stopfen … Unsere linke Flanke steht damit völlig ungeschützt da! Und die Morassier denken bereits seit zwei Monaten darüber nach, in den Krieg einzugreifen! Versichern meine Spione jedenfalls. Für einen Krieg an zwei Fronten fehlen aber selbst uns die Reserven.« Er tigerte durchs Zelt. »Unsere Kräfte schmelzen mit jedem Tag dahin! Mit jeder Schlacht! Mit jeder kleinen Auseinandersetzung in einem abgelegenen Dorf oder auf einem Waldweg!«
Alenari brachte nun etwas in der Sprache der Sdisser heraus, woraufhin der Uyg vom Bett sprang und sich am Eingang des Zelts niederließ.
»Komm her«, forderte sie Ley auf und klopfte mit der Hand aufs Bett. »Du solltest dein Bein nicht bedenkenlos belasten. Sonst kannst du nachher wieder keinen Schritt tun und wirst in der Sänfte getragen.«
Alenari brauchte die Sänfte bloß zu erwähnen – schon setzte sich Ley neben sie.
»Wir verlieren gute Soldaten«, fuhr er mit finsterer Miene fort. »Ihre Plätze nimmt irgendein Abschaum ein, Kerle, die noch nie ein Schwert in der Hand hatten.«
»Trotzdem sind wir unseren Gegnern zahlenmäßig nach wie vor weit überlegen«, rief ihm Alenari in Erinnerung.
»Aber reicht das aus? Diese Armee wird sich nicht zurückziehen – weil sie das gar nicht kann. Sie wird also bis zum Letzten kämpfen. Ebendas macht sie gefährlich. Zudem sind gestern die letzten Berichte eingetroffen. Fast alle Angehörigen des Turms sind über Morassien und Loska nach Korunn gelangt.«
»Ich habe Talki immer gesagt, dass wir uns als Erstes um die Länder im Westen hätten kümmern sollen. Wenn wir zunächst Grohan und Morassien erobert hätten, dann hätten wir auch nicht um jeden Preis die Treppe des Gehenkten nehmen müssen.«
»Nur hätte der Imperator alle Kräfte an den Grenzen zusammengezogen, sobald er von der Invasion gehört hätte«, entgegnete Ley. »Abgesehen davon können wir im Nachhinein ohnehin nichts mehr daran ändern. Aber bei Ug, die Schreitenden stellen in der Tat eine ernste Gefahr dar. Wir haben nur noch wenige Auserwählte. Der Krieg hat uns schon viele von ihnen geraubt, sodass ihnen mittlerweile eine fast gleiche Zahl von Angehörigen des Turms gegenübersteht. Wenn das so weitergeht, büßen wir am Ende auch noch unsere magische Überlegenheit ein.«
»Das ist mir auch klar, Ley«, erwiderte Alenari. »Obendrein sind einige Nekromanten äußerst unzufrieden. Sie vertreten die Auffassung, dass dieser Krieg nicht ihr Krieg ist – weshalb sie ihr Leben nicht für unseres zu opfern bräuchten.«
»Willst du damit andeuten, sie planen eine Verschwörung?«, fragte Ley alarmiert. »Falls ja, müssen wir sie genauso im Keim ersticken wie die letzte vor zweihundert Jahren.«
»Auch das ist bereits geschehen. Glücklicherweise waren es nicht sehr viele, aber ich bin mir sicher, dass ich alle Verschwörer vernichtet habe. Eine innere Stimme sagt mir allerdings, dass das Haupt der Schlange in Sakhal-Neful geblieben ist.«
»Du spielst auf Gafur an?«
»Nun, ich schließe diese Möglichkeit nicht aus. Gafur bildet die Nekromanten aus. Er hat allen Grund zur Klage, wenn seine Schüler hier sterben, ohne dass er weiß, wofür. Gegenwärtig kommen wir nicht an ihn heran. Zudem dürfte es nicht so leicht werden, ihn zu töten. Die Auserwählten des Achten Kreises verstehen es im Unterschied zu uns, sich in einen Lich zu verwandeln.«
»Diese Möglichkeit dürfte für Gafur kaum eine Alternative sein, denn er hasst Lichs, seit er bei den Nordländern gewesen ist … Nein, wenn wir den Unzufriedenen den Mund stopfen wollen, müssen wir Korunn so schnell wie möglich einnehmen.«
»Was steht eigentlich in dem Schreiben?«, fragte Alenari und nickte in Richtung des Papiers, das der Bote gebracht hatte.
»Die letzte Festung ist vor zwei Stunden gefallen. Damit ist der Weg zur Hauptstadt frei. Die Vorhut wird bereits verschoben. Und meine Spione berichten, dass wir kaum mit Widerstand seitens der Bevölkerung zu rechnen haben.«
»Hoffen wir’s. Was ist mit den Schreitenden? Ist auch die Mutter bei ihnen?«
»Ja.«
Daraufhin stand Alenari auf und ging barfuß zu einem kleinen Tisch, zog die oberste Schublade auf und entnahm ihr einen zerbrochenen Pfeil mit einer Spitze aus weißem Material.
»Ich glaube«, sagte sie
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