Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
roch.
Außer unseren Tieren standen hier noch drei weitere Pferde. Eines von ihnen zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es hatte weiße Fesseln und einen weißen Stern auf der Stirn.
»Schönes Tier«, sagte ich laut, als ich ihm übers Maul strich.
»Ohne Frage«, bestätigte der Stallknecht, der gerade einem unserer Tiere das nasse Fell abrieb. »Kein reinrassiges Pferd, aber ausdauernd.«
»Wem gehört es?«
»Wollt Ihr es kaufen? Da würde ich mir keine allzu großen Hoffnungen machen. Das gehört irgendeiner adligen Dame. Die ist mit ihrem Gefolge aus Korunn gekommen. Kann mir nicht vorstellen, dass sie Euch das Tier verkauft.«
Sobald er etwas zur Seite gegangen war, fragte ich Luk: »Erkennst du es?«
»Mhm, das ist das Pferd, das sie vor einer Woche gekauft hat. Der Bursche, der uns in dieses Kaff geschickt hat, hat uns also nicht angelogen.«
Ich grinste in mich hinein, während Luk schon einmal in die Schenke hinüberging. Nachdem ich noch ein paar Minuten in belangloser Plauderei mit dem Stallknecht vertrödelt und auch den Wagen noch einmal überprüft hatte, folgte ich Luk. Sobald ich in der Schenke den langen Umhang zum Abtropfen neben der schweren Eingangstür aufgehängt hatte, sah ich mich in aller Ruhe um.
Von der Decke hingen zwei beeindruckende Lampen mit unzähligen Kerzen, die genügend Licht spendeten. Nur in den hintersten Ecken hatte sich Dämmerlicht zusammengezogen. Ein Kamin sorgte für Wärme.
In der Luft hing der Geruch nach Essen, angebranntem Fett und nach mit Nelken versetztem Honig. Letzterer wurde in dieser Gegend in den Shaf und den Wein gegeben.
Es war gerammelt voll. Die Dorfbewohner gönnten sich vor dem Zubettgehen noch einen Shaf, die Soldaten der Garnison verbrachten hier ihren Abend. Stimmengewirr erfüllte den Raum. Neben dem Kamin spielte ein Alter auf der Laute, dabei immer wieder die Saiten nachziehend. An einem kleinen quadratischen Tisch würfelten einige Männer.
»He, Meister!«, rief mich Luk und winkte mir zu. »Hier bin ich!«
Er hatte eine gute Wahl getroffen.
Der Tisch stand fast in der Ecke, am Nebentisch saßen, im Schatten verborgen, eine Frau und zwei Männer. Als ich auf Luk zusteuerte, musterte mich einer der beiden Kerle aufmerksam.
»Dunkle Funkenträger«,
flüsterte Lahen sofort.
»Alle drei. Das sind sie, Ness
!«
»Können sie dich hören?«,
fragte ich angespannt. Mein Herz stockte.
»Nein.«
Hatten wir am Ende also doch einen Treffer gelandet! Bei Meloth! Wir hatten sie gefunden!
Wahrscheinlich war das ein dämlicher Anlass zum Jubel. Schließlich freuen sich die meisten Menschen eher über das Gegenteil: Wenn sie den Verdammten möglichst fern bleiben.
»Was sitzt du hier im hintersten Eckchen?«, brummte ich Luk übertrieben laut an. »Am Feuer wär’s viel wärmer gewesen.«
»Dafür ist es hier ruhiger«, antwortete er.
»Bind mir doch keinen Bären auf!«, ereiferte ich mich. »Ich hab schon von draußen gehört, wie die Würfel im Becher klappern. Und hier bist du näher an ihnen dran. Aber du bringst ja doch nur wieder deine ganzen Sol durch und pumpst mich dann an.«
»Heute gewinne ich bestimmt.«
»Hör doch auf«, entgegnete ich. »Abgesehen davon ist’s ja dein Geld.«
Ich setzte mich so, dass ich die Gesellschaft am Nachbartisch im Auge hatte, blickte aber geflissentlich zu dem Alten mit seiner Laute hinüber.
Scharlach saß nur drei Yard von mir entfernt, mit dem Rücken zu mir.
Nichts wäre also einfacher, als mich von hinten an sie anzuschleichen und ihr den Funkentöter in den Hals zu treiben. Auch wenn das einem Selbstmord gleichkäme, denn ihre Leibgarde machte mir nicht gerade den Eindruck von verschlafenen Murmeltieren.
Abgesehen davon hatten wir einen Plan …
Luk und ich bestellten Essen und Shaf, sprachen über unseren morgigen Weg, die Preise für unsere Ware und lauschten den Gesprächen der anderen Gäste.
Selbstverständlich bildete der Krieg den Hauptgegenstand. Die Leute sprachen hitzig über ihn, was mich nicht weiter erstaunte. Der Sommer war durchaus ein Erfolg für das Imperium gewesen. Nachdem der Koloss die meisten Nabatorer vernichtet hatte, konnten wir den überlebenden Einheiten ungehindert nachsetzen. Die Überreste von Pests Armee waren in die Erlika-Sümpfe getrieben worden, wo sie ebenso untergingen wie einst die Truppen Ghinorhas.
Blatters versprengte Regimenter wurden durch den ganzen Norden gejagt. Ihnen wurde tüchtig eingeheizt, sodass kaum ein Feind die Treppe des
Weitere Kostenlose Bücher