Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Lahen.
»Übertreib es nicht mit deinem Schauspiel.«
»Nur ein paar, Herrin. Nicht so viel, wie ich gern hätte.« Ich zauberte ein Grinsen auf meine Lippen. »Denn bei Leuten, die was von der Sache verstehen, werde ich sie immer gut los. Und ich habe den Eindruck, Ihr gehört auch zu diesen Leuten.«
»Du beurteilst meine Neugier etwas vorschnell«, erwiderte sie. Die Kapuze und das Halbdunkel verbargen ihr Gesicht fast ganz. Ich machte nur die Schläfen, den Nasenrücken, das Kinn und den Widerschein der Kerzen in ihren Augen aus. »Aber ansehen würde ich sie mir schon einmal gern.«
»Sie sind im Wagen. Ich geh sie eben holen.«
Ich stand auf, warf mir den Umhang über und trat in den Regen hinaus.
»Das war eine gute Idee von dir«,
sagte ich zu Lahen.
»Scharlach konnte ihre Gier noch nie zügeln, wenn es um Bücher geht«,
erwiderte Lahen.
»Das ist ihre einzige Schwäche.«
»Glaubst du, wir werden es schaffen?
«
»Jedenfalls
hoffe
ich es inständig«,
flüsterte Lahen.
Ich nahm einige Folianten vom Wagen, stopfte sie in eine Tasche und kehrte in die Schenke zurück.
»Setz dich ruhig zu uns an den Tisch«, lud mich Scharlach ein.
Mittlerweile hatten sie bereits einen weiteren Stuhl herangestellt. Ich fing einen Blick auf, den Luk mir verstohlen zuwarf. Nachdem ich Platz genommen hatte, stellte ich die schwere Tasche auf den Tisch, band sie seelenruhig auf und rief der Kellnerin zu: »Bring uns eine Kerze.«
Von den dreien erhob niemand Einwände. Die Kellnerin kam im Nu zurück und stellte einen bronzenen Kerzenständer auf den Tisch. Erst jetzt konnte ich Scharlachs Gesicht erkennen. Es entsprach bis auf eine einzige Veränderung dem Porträt im Turm: Sie hatte ihr langes Haar kurz geschnitten wie das eines Pagen. Ihre grauen, von dichten schwarzen Wimpern gerahmten Augen untersuchten mein Gesicht. Völlig unbeeindruckt davon legte ich die Bücher auf den Tisch.
»Das wären sie. Leider ist ein Teil noch im anderen Wagen«, erklärte ich. »In dem, mit dem unser Partner unterwegs ist.«
Sie ging die Bücher rasch durch und sortierte aus, was für sie infrage kam. Der eine Stapel belief sich auf zwei Bücher, der andere umfasste die restlichen – die sie nicht reizten.
»
Die Parade der Planeten
und die
Abhandlung über die Bauten alter Zeiten.
Zwei höchst interessante Werke. Woher hast du sie?«
»Wir haben schließlich Krieg«, antwortete ich.
Das konnte sie verstehen, wie sie wollte: dass ich die Bücher gefunden, gestohlen, billig erworben oder als Geschenk erhalten hatte.
Die beiden Werke waren ein Vermögen wert. An sie heranzukommen, war nicht einfach gewesen, vor allem bei unseren bescheidenen Mitteln nicht. Aber Luk hatte ausgeholfen, indem er den Ring mit den Smaragden hergegeben hatte, der ihm als Anerkennung für die Dienste ausgehändigt worden war, die er dem Turm erwiesen hatte. Ein windiger Kerl hatte uns diese Ware in tiefster Nacht in die Hand gedrückt, sobald er das Ringlein erhalten hatte. Der Bursche sah nicht unbedingt wie ein Sammler aus und kannte auch den wahren Wert dessen, was wir bei ihm bestellt hatten, nicht. Wir verzichteten wohlweislich darauf, ihn zu fragen, wo er die Bücher besorgt habe …
»Wie viel willst du für diese beiden Bücher?«, fragte Scharlach.
»Für die
Parade
hundert Soren, für die
Abhandlung
achtzig. Wenn Ihr beide nehmt, gehe ich um zehn runter.«
»Du weißt ja wirklich, was deine Ware wert ist«, erwiderte sie lachend. »Leider habe ich so viel Geld nicht bei mir. Hast du sonst noch was im Angebot?«
Meine Hand wanderte noch einmal in die Tasche, und ich holte einige in Papier eingeschlagene, verschnürte einzelne Seiten heraus, die ich ihr über den Tisch zuschob.
»Als Sammlerin interessieren Euch vielleicht ein paar Zeilen in der alten Sprache.«
Sie löste behände die Schnur, schlug das Papier zurück und nahm die vergilbten Seiten vorsichtig an sich. Mir entging nicht, wie ihr die Gesichtszüge entglitten. Doch schon in der nächsten Sekunde hatte sie sich wieder unter Kontrolle, zog den Kerzenständer näher zu sich heran und begann zu lesen.
In mich hineingrinsend rief ich noch einmal die Kellnerin und bat um einen Minzshaf.
Sobald sie ihn mir gebracht hatte, nippte ich an dem schäumenden Getränk.
Wie gut ist die Aussicht, in unserem riesigen Land den einen Menschen zu finden, den du suchst?
Nicht sehr groß.
Wie gut ist da erst die Aussicht, jemanden zu finden, der nicht gefunden werden will?
Noch
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