Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Fluss war ein Teil des Ufers abgerissen worden. Wahrscheinlich sah die Wunde auf meinem Rücken ähnlich zerfetzt aus …
Mylord Rando stand am Fluss und stierte ins Wasser, als ob er von diesem eine Offenbarung Meloths erwarte.
Luk und Ga-nor sahen beide ziemlich mitgenommen aus und nippten an einer Schnapsflasche. Algha weinte, Rona tröstete sie. Shen heilte derweil ihre Hand. Alle drei waren bleicher als der Tod und fielen anscheinend immer wieder kurz in Ohnmacht.
Yumi hielt, von dem Wissen um die eigene Bedeutung geradezu aufgeplustert, einen weißen Gegenstand in Händen.
»Aus, du Hund!«, begrüßte er mich und hielt mir seinen Fund entgegen.
Ich stieß einen Pfiff aus. Es war eine Maske aus Grohaner Silber.
»Aus, du Hund!«, erklärte mir Yumi triumphierend. »Aus, du Hund!!!«
»Ness!«,
verlangte Lahen aufgeregt.
»Geh endlich zu Shen! Du hast zu viel Blut verloren!«
»Bei dem hat sich schon eine lange Schlange gebildet«,
brummte ich und setzte mich neben Yumi, der gerade mit den Zähnen überprüfte, wie solide Blatters Maske war.
»Außerdem kann ich warten.«
Luk kam zu mir, um mir die Flasche in die Hand zu drücken. Kaum hatte ich einen Schluck getrunken, beugte ich mich schon in einem Hustenanfall vor. Sobald Luk meinen Rücken sah, rief er entsetzt nach Shen. Dieser eilte auf mich zu, fluchte und machte sich an die Heilung, obwohl er sich meiner Ansicht nach erst mal hätte selbst behandeln sollen.
Schweigend atmete ich den ranzigen Brandgeruch ein, lauschte auf den Lärm des Waldes und das Gespräch von Rona und Algha.
»Ich habe gedacht, du seist tot«, erklärte Algha. »Sie hat behauptet, dass du gestorben bist, genauer gesagt, dass du tot sein musst, denn ihr Diener konnte dich anhand deines Funkens nicht finden.«
»Kein Wunder, dass dieser Diener sie nicht gefunden hat«,
beantwortete mir Lahen die unausgesprochene Frage.
»Alenari hat sich den Funken Ronas eingeprägt, als sie euch im Regenbogental begegnet ist. Da war dieser aber noch licht. Das Dunkel ist ja erst später hinzugekommen. Deshalb konnte dieser Mistkerl, den du erledigt hast, sie nicht finden.«
Ich gab diese Worte weiter, ohne darauf zu achten, dass Algha mich daraufhin ansah, als stünde ein Gespenst vor ihr.
»Shen«, sagte ich.
»Es wäre besser, wenn du erst mal nichts sagst«, erwiderte er.
»Ist Blatter tot?«, gab ich keine Ruhe.
»Das will ich doch hoffen. Es hat einen großen Kraftausstoß gegeben. Wir haben das als Beweis für ihren Tod verstanden.«
»Gut«, sagte ich und schloss die Augen.
Und wäre fast aufgesprungen.
»Was ist denn jetzt schon wieder?!«, fuhr Shen mich an.
»Scharlach! Soll uns doch alle das Reich der Tiefe holen! Wir haben Scharlach völlig vergessen!«
»Die ist leider längst nicht mehr hier.«
»Was heißt das?!«
»Algha hat gesagt, dass sie vor sechs Tagen aufgebrochen ist. Hier gab es nur noch eine Verdammte. Scharlach ist uns entwischt.«
Kapitel
32
»Da platzt doch die Kröte!«, murmelte Luk, der zu den abendlichen Wolken hinaufspähte. »Ist der Sommer also auch schon wieder vorbei.«
In den letzten beiden Tagen hatte es ununterbrochen geregnet, und seit einer Woche konnte man das Wetter beim besten Willen nicht mehr als warm bezeichnen. Mitte des zweiten Herbstmonats gab es schönere Gegenden als die um Altz …
Der Regen hämmerte hartnäckig auf meine Kapuze ein, meine Hände waren bereits steif gefroren. Während ich die beiden Pferde, die unseren Karren zogen, lenkte, sprach ich mit meinem Augenstern. Mitunter musste ich mich anstrengen, um sie überhaupt zu hören, denn seit Shen seine Kraft mit ihr geteilt hatte, war viel Zeit vergangen. In den letzten Wochen wirkte Lahen deutlich geschwächt und sank immer wieder in
Schlaf.
Wir beide wussten, dass früher oder später der Tag kommen würde, da wir die Möglichkeit verlören, uns regelmäßig zu unterhalten.
Dennoch baten wir Shen nicht um Hilfe – dazu stand zu viel auf dem Spiel: Mit etwas Glück würden wir Scharlach noch schnappen. Da durften wir Shens Gabe nicht leichtfertig vergeuden.
Neben mir auf dem Kutschbock saß Luk bibbernd in seinem Umhang. Sein Blick huschte oft zu seiner linken, verstümmelten Hand. Vor einer Woche waren wir auf eine berittene Einheit von Nabatorern gestoßen. Mit ihr war es zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der Luk Pech gehabt hatte: Einer der Feinde hatte ihn erwischt. Shen hatte die Wunde zwar heilen und drei von fünf Fingern wiederherstellen
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