Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Typhus wirklich derart naiv?
»Du rechnest natürlich damit, diese wunderbaren Zeiten in einem neuen Körper zu begrüßen?«, erkundigte sich Shen in völlig beiläufigem Ton.
»Ganz genau. Kannst du mir helfen, wieder die Alte zu werden?«
»Vermutlich«, räumte er ein. »Vor allem, wenn du endlich aufhörst, dabei begehrlich an Rona zu denken.«
»Was soll das denn schon wieder heißen?«
»Das soll heißen, dass ihr Körper für dich tabu ist.«
»Red keinen Unsinn!«, verlangte Typhus ebenso beleidigt wie verärgert.
»Spiel jetzt bitte nicht die gekränkte Unschuld! Glaubst du etwa, ich hätte nicht begriffen, warum du so entzückt warst, als sie sich den dunklen Funken angeeignet hat? Aber ich rate dir eins: Schlag dir diese Idee aus dem Kopf! Rona kriegst du nicht, da musst du dir schon eine andere Funkenträgerin suchen. Oder eine Wahnsinnige. Von denen ist die Welt ja voll genug. Früher oder später wirst du die Kontrolle über diesen Körper gewinnen. Bei diesem armen Hirten ist dir das schließlich auch gelungen.«
»Nur können Wahnsinnige nicht ewig leben, mein Junge.«
»Dafür gibt es viele. Da hast du jederzeit die Möglichkeit, den Körper wieder zu wechseln«, erklärte er. »Mir ist völlig einerlei, was du dir einfallen lässt, aber an Rona kommst du nur über meine Leiche.«
»Vor uns ist eine Brücke!«, schrien die Leute an der Spitze. Sofort unterbrachen wir das Gespräch und eilten zu ihnen.
Zwischen zwei mit bläulichem Eis überzogenen Felsen war etwas gespannt, das Ga-nor – wohl etwas voreilig – als Brücke bezeichnet hatte. In die Steine hatte man vier Pfosten gerammt. An ihnen waren Taue befestigt, die eine Konstruktion aus Holzbrettern trugen – welche uns ebenfalls nicht gerade Vertrauen einflößten. Auch die Schnüre, die als
Geländer
dienten, waren von einer Art, dass ich lieber kein Wort über sie verliere.
Da diese
Brücke
in der Mitte tief durchhing, musste man zunächst ein wenig nach unten balancieren, um dann auf dieser maroden Anlage wieder nach oben zu kraxeln – wobei das ganze Ding gewaltig ins Schaukeln geraten dürfte.
»Wer hat denn dieses Wunder geschaffen?!«, fragte Typhus mit vor Verachtung triefender Stimme.
»Die Bergbewohner«, antwortete ihr Mylord Woder. »Im Übrigen ist das keine schlechte Arbeit. Diese Brücke ist nämlich mindestens schon hundert Jahre alt.«
»Das sieht man ihr auch an.«
»Sagt mal …«, setzte Luk an, schluckte dann aber erst mal, »gibt es wirklich keinen anderen Weg?«
»Doch«, antwortete Ga-nor. »Aber der würde uns noch eine Woche kosten.«
Ich trat dicht an den Rand des schmalen Pfads heran und spähte in die Tiefe. Noch immer hatte ich nur eine Sicht von fünfzehn Yard, dann folgte Nebel. Wie weit es danach noch abwärts ging, wusste niemand.
»Wie tief ist diese Schlucht?«, wollte ich von Ga-nor wissen.
»Bitte die Ye-arre, das zu überprüfen, wenn sie von ihrem Erkundungsflug zurückkommen.«
»Wenn du mich fragst, kriegst du auf dem Weg nach unten graue Haare«, spie Luk aus.
Ich besah mir die Brücke noch einmal genau. Auf der gegenüberliegenden Seite lag gleich hinter ihr ein großer Platz mit einem Pfad zwischen den Felsen, der zum nächsten Pass führte. Ghbabakh stieß ein unterdrücktes Quaken aus, um dann zu erklären: »Ich bin zu schwer. Deshalb gwehe ich als Letzter. Falls die Brükwe unter mir zusammenkwaracht.«
Vermutlich kein schlechter Vorschlag.
»Ich sehe überhaupt kein Problem«, versicherte Typhus nun. »Ich kann die Brücke für ein paar Minuten in Eis hüllen. Dadurch würde sie stabiler.«
»Aber auch rutschiger«, warf Luk ein, den der Gedanke an das, was ihm hier bevorstand, ziemlich blass hatte werden lassen.
»Die Gwalätte macht mir nichts«, sagte Ghbabakh. »Das schaffe ich schon. Dankwe für das Angwebot.«
»Kannst du das vielleicht gleich machen?«, fragte Rando die Verdammte.
»Sicher«, antwortete diese. »Aber wenn das Eis schmilzt, könnte die ganze Konstruktion in sich zusammenbrechen.«
»Dann musst du wohl oder übel mit diesem wackligen Ding vorliebnehmen«, wandte ich mich an Luk.
»Da platzt doch die Kröte!«, stieß dieser bloß aus.
Lartun zog jetzt erst einmal an einem der Taue.
»Diese Dinger sind solider, als sie aussehen«, stellte er fest.
»Lasst es uns endlich hinter uns bringen«, entschied Rona die Sache und setzte einen Fuß auf die Brücke. Mylord Rando packte sie jedoch sofort am Ellbogen und zog sie zurück.
»Ich
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