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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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der von den Seen heranwehte, brachte den Geruch nach jungem Grün und Regen mit. Blinzelnd kaute ich im strahlenden Sonnenschein. Es war noch nicht lange her, da hatte ich geglaubt, der Winter würde nie enden.
    Seit wir die Katuger Berge hinter uns gelassen hatten, war ein Monat vergangen. Die Erinnerungen an das Unglück suchten mich jedoch nach wie vor heim. Ich brauchte bloß allein zu sein – und schon sah ich vor meinem inneren Auge wieder jenen schwarzen Tag. Wenn ich nur etwas hartnäckiger gewesen wäre, hätte ich Shen und Rona bestimmt retten können. Deshalb hielt ich mich für den wahren Schuldigen an ihrem Tod.
    Der Verlust der beiden war für mich fast ebenso schmerzlich wie der Lahens. Nie hätte ich erwartet, dass mich ihr Tod derart mitnehmen würde. Doch in meinem Beisein waren zwei Menschen gestorben, die ich zu meinen Freunden zählte. Und Lahen und ich, wir hatten nie viele Freunde gehabt …
    Außerdem bedeutete ihr Tod auch einen herben Einschnitt für die Entwicklung eines grauen Funkens. Damit war Lahens Traum – das Letzte, was mir von ihr geblieben war – geplatzt. Nicht einmal das hatte ich verhindern können.
    Warum mich Typhus damals nicht umgebracht hat, weiß ich nicht. Meiner Ansicht nach war sie aber kurz davor gewesen. Denn für sie bestand nun keine Notwendigkeit mehr, mich am Leben zu lassen. Ihre letzte Hoffnung, einen anständigen Körper zurückzubekommen, hatte sich zerschlagen. Und auch der Grundstein einer neuen – einer grauen – Schule, der doch schon gelegt schien, war mit dem Tod der beiden zu Asche zerfallen.
    Typhus hatte mich jedoch nicht mit einem Zauber angegriffen. Wir waren in verschiedene Richtungen auseinandergegangen, seitdem hatte ich sie nicht wiedergesehen.
    Damals war eine der längsten und quälendsten Nächte meines Lebens angebrochen. Es war zu kalt gewesen, als dass wir überhaupt eine Rast hätten einlegen können. In tiefster Finsternis erreichten wir den Pass und kletterten ihn nahezu blind hinunter, bis wir eine Höhle entdeckt hatten, in der wir uns vor dem Wind in Sicherheit bringen konnten. Schlaf fand ich selbst dort nicht. In meinen Ohren klang immer noch der Schrei Ronas – und der Schrei Lahens. Vermutlich müsste ich erst den Verstand verlieren, um diese Sinnestäuschung loszuwerden.
    Lahen hatte mich dann gegen Morgen besucht und drei lange Stunden in sinnlosen Gesprächen mit mir zugebracht. Sie setzte alles daran, mich aufzumuntern und zu trösten. Während dieser Unterhaltung vergaß ich mich manchmal so weit, dass ich laut mit ihr redete. Keine Ahnung, was Mylord und Yumi in solchen Momenten von mir dachten.
    Bei Tagesanbruch wurde ihre Stimme schließlich immer leiser, bis sie ihr am Ende ganz versagte. Ihr »Lebe wohl« hörte ich kaum noch. Ein paar Stunden später wusste ich nicht einmal mehr, ob ich nachts geschlafen oder gewacht hatte.
    Als wir gegen Mittag die Serpentinen, die in ein lichtdurchflutetes Tal führten, hinabstiegen, stieß Yalak wieder zu uns. Der Flug in der Kälte hatte sein Gesicht gerötet und rau werden lassen.
    »Der Nordländer hat einen Weg gefunden«, berichtete er Mylord Rando. »Sie ziehen nach Osten.«
    Obwohl ich wusste, dass ich dem Flatterer zu viel abverlangte, bat ich ihn, den Grund der Schlucht abzusuchen. Ohne ein Wort des Widerspruchs brach er auf und kam noch erschöpfter zurück als beim ersten Mal.
    »Gesehen habe ich sie nicht«, teilte er mir mit. »Allerdings habe ich es nicht gewagt, bis zum Boden vorzustoßen, denn in dem Nebel da wäre ich fast gegen die Felswand gestoßen. Tut mir leid. Als ich weggeflogen bin, ist eine weitere Lawine niedergegangen. Nun dürften sie auch ein Grab haben …«
    Darauf sagte niemand ein Wort.
    »Ich kann von jetzt an nicht mehr zu euch kommen«, fuhr der Ye-arre fort. »Die Entfernung zu den anderen ist zu groß.«
    »Dann bleibst du also bei Ga-nor?«
    »Ja. Sie brauchen einen Späher dringender als ihr.«
    Das stimmte. Wir liefen praktisch über eine Ebene, während unsere Freunde noch durch die Schluchten ziehen und einen neuen Pass finden mussten. Die Hilfe des scharfsichtigen Ye-arres wäre für sie Gold wert.
    »Dank dir für alles und leb wohl«, sagte Mylord Rando und gab Yalak die Hand.
    Ich folgte seinem Beispiel, während Yumi seinen Hund zitierte.
    »Passt auf euch auf!«, meinte der Flatterer zum Abschied. Dann schlug er mit den roten Flügeln, stieg mit einer Windböe auf und verschwand hinter den Bergen.
    Nach vier Tagen

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