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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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über dem Kamm verschwunden.
    »Kümmer dich um den«, befahl sie.
    »Du hast mir gar nichts zu sagen!«, schrie ich.
    »Wenn uns der Kerl entwischt, sind wir am Ende! Ich beseitige derweil unsere Spuren!«
    Ich brauchte mehr als zwei Minuten, um den Hang hinaufzukraxeln. Dann stürzte ich dem Flüchtling nach, wobei ich bereits einen Pfeil einlegte. Es gab nur einen Weg, rechts und links erhoben sich lotrechte Felswände. Er konnte mir also nicht entkommen.
    Die Schlucht war schmal und recht kurz. Obendrein endete der Weg bald, denn wir waren in einer Sackgasse gelandet. Da der Soldat begriffen hatte, dass die Flucht gescheitert war, wartete er mit blankgezogenem Schwert auf mich. Sobald er den Bogen sah, entglitten ihm jedoch die Gesichtszüge: Er war mir hoffnungslos ausgeliefert.
    Genau wie ich schnaufte er laut. Er war erschöpft, grau von Asche und abgezehrt. In seinen Augen las ich das Wissen, dem Tod geweiht zu sein.
    Ich trat nicht näher an ihn heran, sondern holte einen weiteren Pfeil aus dem Köcher und warf ihn vor mich. Verständnislos blickte er auf den Pfeil, dann schaute er mich fragend an.
    »Wir beide sind in einen Zank von Schreitenden geraten«, sagte ich. »Alles, was du gesehen hast, ist eine Auseinandersetzung, die nur den Turm etwas angeht. Der möchte im Übrigen nicht, dass irgendwas von dieser Geschichte bekannt wird. Du hattest leider das Pech, Zeuge dieser kleinen Unstimmigkeit zu werden. Genau wie ich. Nur habe ich nicht die geringste Lust, den Befehl des Glimmenden auszuführen.«
    Zu meinem Glück stellte sich der Kerl als ausgesprochen schnell von Begriff heraus.
    »Was schlägst du vor?«, wollte er wissen.
    »Bleib hier. Mindestens eine Stunde. Danach erzählst du allen, dass euch ein Nekromant angegriffen hat und du es geschafft hast, ihm zu entkommen, während die Schreitende mit ihm gekämpft hat.«
    Er wollte nicht als Feigling erscheinen – aber noch weniger als Toter enden.
    »Man könnte mir Fragen stellen«, gab er zu bedenken.
    »Das ist dein Problem. Merk dir nur eins: Wenn du mich verrätst, werden wir beide nicht alt. Haben wir uns verstanden?«
    »Völlig.«
    Während ich rückwärts zurücklief, behielt er mich fest im Blick, noch immer ungläubig, dass er diese Begegnung gesund und munter überstanden hatte.
    Warum ich das getan hatte? Aus Trotz, Sturköpfigkeit und aus Wut auf Typhus, würde ich annehmen. Ich war nicht ihr Hund, den sie losschicken konnte, allen die Kehle durchzubeißen, auf die sie mit dem Finger zeigte. Selbst wenn sie recht hatte …
    Würde dieser Soldat den Mund halten?
    Wenn er dumm war, nicht. Beunruhigte mich das? Nicht unbedingt. Übermorgen würde hier ein solches Chaos toben, dass kaum jemand einen Gedanken an eine tote Schreitende verlieren würde.
    In früheren Jahren, ja, da hätte ich den Mann vielleicht getötet, ohne mir groß den Kopf darüber zu zerbrechen. Aber heute …
    Ob ich allmählich alt wurde?
    Als ich den Schauplatz des Duells wieder erreichte, konnte ich Typhus weit und breit nirgends entdecken. Dafür hörte ich jedoch einen Schrei aus der Richtung, aus der ich gekommen war.
    In sicherer Vorahnung, was da gerade geschehen war, stürzte ich zurück. Doch Typhus kam mir bereits entgegen. Wieso wir uns auf dem schmalen Pfad nicht begegnet waren, bleibt mir bis heute ein Rätsel.
    »Was bist du bloß für ein Jammerlappen!«, spie sie verächtlich aus. »Wenn ich mich nicht um alles selbst kümmere …«
    Schweigend zog ich den Schal nach unten. Ein widerlicher Geschmack lag mir auf der Zunge.
    Unterdessen fuhr Typhus mit den Fingern durch die Luft – und ein Reiter in weißem Umhang preschte auf einem Geisterpferd davon.
    »Der ist nur für alle Fälle«, erklärte sie mir.
    Ohne ein Wort miteinander zu wechseln, kehrten wir zurück. Über dem Grokh-ner-Tokh stieg unverändert Rauch auf.
    »Ich musste das tun, Grauer«, bemerkte Typhus nach einer Weile.
    »Wenn ich dich nicht besser kennen würde, könnte ich glatt auf den Gedanken kommen, du würdest dich rechtfertigen.«
    »Falls es dich interessiert: Dieser Mord hat mir kein Vergnügen bereitet.«
    Sollte sie darauf eine Antwort von mir erwarten, hatte sie sich getäuscht. Denn wenn ich eins nicht vorhatte, dann, ihr die Gewissensbisse zu nehmen.

Kapitel
16
    »Endlich hat sich diese lausige Kälte verzogen«, sagte Nadel, ein rundgesichtiger, stupsnasiger Bursche, mit einem seligen Lächeln, und öffnete den obersten Knopf seiner Jacke. »Man könnt fast

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