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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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immer hier geschah, um seiner Tochter willen, die ihn brauchte und die verloren war, wenn er wegen einer Kurzschlussreaktion in den Knast wanderte. Wütend trat er einen Schritt vor, auf die Tür zu, und hielt dann gleich wieder inne. Sich beherrschen bedeutete nicht, dass er durch die Tür stürmte wie die schlechte Kopie eines SEK-Beamten und sich entweder selbst eine Kugel einfing oder vor lauter Angst wild um sich schoss.
    »Biermann?«, rief er, wobei er besorgt registrierte, dass seine Stimme vor Zorn zitterte und so gar nicht dem entsprach, was er sich gerade vorgenommen hatte. »Harry Biermann?«
    »Ich bin hier«, antwortete eine sonore Stimme. »Kommen Sie ruhig rein. Und nehmen Sie Lubaya ihren kleinen Auftritt nicht übel. Sie neigt mitunter zu Überreaktionen.«
    Überreaktionen … Dirk hätte beinahe laut aufgelacht. Was wusste dieser Kerl schon von Überreaktionen?
    »Haben Sie eine Waffe, Biermann?«, fragte er. »Genauer gesagt: Halten Sie zufällig gerade eine Waffe in der Hand und zielen Sie damit auf die Tür?«
    Zuerst antwortete Biermann nicht, dann stieß er einen leisen Seufzer aus. »Was soll das, Gallwynd? Wollen Sie aus einem kleinen Missverständnis ein Drama machen?«
    »Habe ich nicht vor«, sagte Dirk mühsam beherrscht. »Aber ich bin es auch nicht gewohnt, von einem bekifften Taxifahrer in einer Schrottkiste kutschiert zu werden, um dann hier von einem dicken Weibsbild angemacht zu werden und …« Ja, und was? Eigentlich war ja gar nicht mehr passiert.
    »John hat Sie am Hintereingang abgesetzt, weil er mit dem Wagen nicht direkt an den Vordereingang rankam«, sagte Biermann. »Und dass es da hinten übel aussieht, weiß ich selbst. Der Hausbesitzer kann sich einfach nicht zum Renovieren durchringen. Sie wissen ja, wie das ist.«
    »Nein, das weiß ich nicht«, antwortete Dirk schroff. »Ich weiß nur, dass es hier wie auf einem Bahnhofsklo der übelsten Sorte stinkt und dass diese Lubaya … He, was machen Sie da drinnen? Wollen Sie etwa zu mir rauskommen?«
    Die Schritte, die er gehört hatte, als er sich gerade in Rage hatte reden wollen, verstummten – sehr nahe an der Tür. Wahrscheinlich brauchte er nur den Oberkörper ein Stück nach vorne zu beugen, um Biermann zu sehen.
    Oder die Waffe, die dieser in den Händen hielt.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, rief Dirk. »Ich habe immer noch die Pistole.«
    »Dann stecken Sie sie weg«, sagte Biermann beschwörend. »Ich kann ja verstehen, dass Ihnen die ganze Situation nicht geheuer ist. Aber keine Sorge, wenn wir alle die Nerven behalten, wird überhaupt nichts passieren.«
    Außer, dass der eine dem anderen eine Kugel in den Bauch jagt, dachte Dirk.
    »Die Spur, die zu Ihrer Frau führt«, fuhr Biermann fort, »dürfte im Augenblick tatsächlich der beste Anhaltspunkt sein, um auch Ihre Tochter zu finden. Aber um in der Sache weiterzumachen, brauche ich natürlich zunächst Ihr Einverständnis.«
    Einverständnis. Um Kinah und Akuyi zu suchen? Wovon redete der Kerl? Natürlich hatte er Dirks Einverständnis.
    Aber nicht sein Vertrauen.
    »Hören Sie, Biermann«, sagte Dirk, »wenn Sie mich nur hierher haben bringen lassen, um mir irgendeine abstruse Geschichte zu erzählen, vergessen wir das Ganze.«
    »Es geht nicht um eine abstruse Geschichte«, sagte Biermann rasch. »Ich habe wirklich eine heiße Spur. In erster Linie betrifft sie Kinah. Die Frau, von der Sie vor drei Jahren behauptet haben, sie sei die Liebe Ihres Lebens.« Er legte eine kleine Pause ein. »Und wie sieht das heute aus? Stehen Sie immer noch zu Ihrer Frau? Es könnte nämlich sein, dass sie Ihre Hilfe bitter nötig hat.«

Kapitel 3
    Dirk umklammerte das Wasserglas so fest wie zuvor die Pistole. Der Druck in seinem Kopf hatte einem heftigen Schwindelgefühl Platz gemacht, verbunden mit dem Eindruck, sich irgendwo an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit zu befinden, so wie er es kannte, wenn er früher sechsunddreißig Stunden oder mehr durchprogrammiert hatte und selbst die Tageszeiten zu etwas vollkommen Diffusem und nicht Fassbarem verschwommen waren. Er hatte Biermann bislang höchstens zwei oder drei Mal gesehen, und diese Begegnungen hatten keinen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Wenn er ihn hier, in diesem Raum, in diesem heruntergekommenen Gebäude kennengelernt hätte, wäre das mit Sicherheit anders gewesen.
    Das Büro sah überhaupt nicht so aus, wie er erwartet hatte, es war keine Abbruchbude mit feuchten Wänden und einem Inventar,

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