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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Nest gebaut hatte?« Dirk schüttelte den Kopf. »Das ergibt doch keinen Sinn. Warum sollte sie das tun? Wenn sie die Scheidung eingereicht hätte, hätte sie gute Chancen gehabt, das Sorgerecht für Akuyi zu bekommen. Und damit wäre auch unser gemeinsames Haus an sie gefallen. Es gab eigentlich keinen Grund für sie, einfach wegzulaufen, oder?«
    »Tatsache ist, dass Kinah ihr ganzes Leben lang weggelaufen ist«, beharrte Biermann. »Sind Sie noch nie auf den Gedanken gekommen, dass ihre Flucht quer durch Afrika auch noch andere Gründe gehabt haben könnte als nur Bürgerkriegsunruhen und Hungerkatastrophen?«
    »Nur Bürgerkriegsunruhen und Hungerkatastrophen?«, entgegnete Dirk. »Wissen Sie überhaupt, wovon Sie da reden? Afrika befindet sich im Ausnahmezustand. Haben Sie noch nie von den spanischen Exklaven auf marokkanischem Gebiet gehört und vom Zaun von Melilla, der Schwarzafrikaner von Europa fernhalten soll? Können Sie sich auch nur ansatzweise vorstellen, wie verzweifelt Menschen sein müssen, die alles tun, um aus ihrer Heimat wegzukommen, und bereit sind, dafür jedes Risiko einzugehen?«
    »Natürlich weiß ich, was da passiert ist – dass Menschen bei dem Versuch, diesen Zaun zu überwinden, gestorben sind«, antwortete Biermann. »Aber das ist nicht mein Thema.«
    »Sondern?«
    »Mein Thema ist Ihre Frau«, sagte Biermann rasch. »Und der Grund für Ihre überstürzte Flucht.«
    »Flucht?«
    »Flucht«, bestätigte Biermann. »Kinah hatte es so eilig, nach dieser schrecklichen Sturmnacht vor drei Jahren aus Deutschland wegzukommen, dass sie sich noch nicht einmal von ihrer Tochter verabschiedet hat. Ganz zu schweigen davon, dass es nicht ihre Art ist, klammheimlich Konten leer zu räumen und ihren Mann ohne ein Wort der Erklärung zu verlassen.«
    »Woher wollen Sie wissen, was ihre Art ist?«, murmelte Dirk.
    Eine Art, die ihn oft genug zur Verzweiflung getrieben hatte. Aber es hatte auch andere Momente gegeben, Momente voller Liebe und Zauber. Wie an jenem Tag, an dem sie das Pfahlbaudorf von Arbon-Bleiche am Bodensee besucht hatten. Kinah war von allem fasziniert, was mit alten Kulturen zu tun hatte. Wie ein frisch verliebtes Paar waren sie Hand in Hand durch Schlamm und Matsch zum Ufer hinuntergeschlendert, wo Dirk beinahe einen seiner Schuhe verloren hatte, während Kinah mit ihren hohen Stiefeln eindeutig im Vorteil gewesen war. Sie hatte ihm nicht nur berichtet, dass das Dorf dreitausenddreihundertsiebzig Jahre vor Christus einem verheerenden Brand zum Opfer gefallen war, sondern auch, dass im nördlichen Teil des Dorfes Rindfleischliebhaber gewohnt hatten, während sich die Bewohner im südlichen Teil an Schweinekeulen ergötzt hatten. »Die Schweinefans kamen den Funden nach zu urteilen aus Ungarn oder der Slowakei, die Rinderfans waren alte Bodenseeansässige. Und obwohl sich die beiden Kulturen kaum miteinander vermischten, bauten sie ihr Dorf doch gemeinsam aus und lebten friedlich zusammen – bis das Dorf einer Naturkatastrophe zum Opfer fiel, einem heftigen Sturm, der den Brand auslöste …«
    Die nächsten Worte, die aus ihr hervorsprudeln wollten, küsste Dirk einfach weg, und dann verzogen sie sich hinter eine alte Hütte, und während die Sonne in einem atemberaubenden Rot über dem See versank, erkundeten sie ihre Körper so ausgiebig wie schon lange nicht mehr …
    »Wir sollten zu einer Vereinbarung kommen«, riss ihn die Stimme des stämmigen Mannes mit der entstellenden Narbe aus seinen Gedanken, »und zwar so rasch wie möglich. Wie gesagt: Die Zeit drängt.«
    »Warum glauben Sie das?«, fragte Dirk heiser. Er versuchte, die Erinnerung an Kinah wegzublinzeln, aber es wollte ihm nicht gelingen. Er sah ihr Gesicht vor sich, die Grübchen, die sich bildeten, wenn sie aus vollem Herzen lachte, die hochgezogenen Augenbrauen, die eine ihrer typischen frechen Bemerkungen ankündigten. »Sie wissen doch angeblich gar nicht, wo sich Kinah aufhält«, fuhr er fort, wobei er nicht verhindern konnte, dass seine Stimme brüchig klang. »Oder meine Tochter.«
    »Das stimmt«, gab Biermann zu. »Aber leider bin ich bei meinen Recherchen auf eine andere Person gestoßen.«
    »Auf eine andere Person?«, wiederholte Dirk. »Verdammt noch mal, jetzt machen Sie es doch nicht so spannend!«
    »Hier.« Biermann zog eine Fotografie aus der Innentasche seines Sakkos und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. Sie zeigte einen arabisch aussehenden Mann mittleren Alters mit harten

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