Sturm: Roman (German Edition)
Flugbahn ein. »Gut«, murmelte er, nachdem Dirk wieder nach links gesteuert hatte. »Und unbedingt die Höhe halten. Auf keinen Fall irgendwelche ruckartigen Manöver.«
Dirk nickte und versuchte, seinen Rat zu beherzigen Immerhin stellte er sich diesmal deutlich geschickter an und konnte die Lisunov einigermaßen auf Kurs halten.
»Gib mir schon den Zettel her!«, stieß er hervor. »Ich unterschreibe und überlasse dir den Platz auf dem Pilotensessel.«
Jurij starrte angestrengt aus dem Fenster. »Ja, vielleicht ist das besser. Obwohl du mehr Talent hast als jeder andere Frischling, der mir bisher untergekommen ist, Jungchen. Aber da vorne … da braucht sich etwas zusammen. Siehst du die dünnen Wolken?«
Dirk nickte. Es würde nicht mehr lange hell sein. Unter ihnen warfen die Berge bereits lange Schatten auf ihre gegenüberliegenden Flanken. Doch nicht das Spiel von Licht und Schatten verwirrte ihn, sondern das Treiben der Wolkenfetzen, die teils goldgelb, teils rötlich vom Sonnenlicht durchwoben wurden. Die Lisunov war bereits in die Wolken eingetaucht und brachte sie in Aufruhr – in eine Bewegung, die sich spiral- und wellenförmig fortzusetzen und schließlich auch weiter entfernte Wolkenschichten zu ergreifen schien.
»Mit diesen Wolken stimmt irgendetwas nicht …« Zum ersten Mal, seit Jurij Dirk das Steuer überlassen hatte, klang er wirklich beunruhigt. »Unter anderen Umständen würde ich sagen, wir weichen auf eine Ersatzroute aus. Aber nicht mit unseren arabischen Freunden im Nacken.«
»Was soll ich tun?«
Jurij riss das oberste Blatt vom Notizblock. »Unterschreiben.«
»Nach der Landung.« Ein Schweißtropfen rann in Dirks rechtes Auge und hätte ihm die Sicht genommen, wenn er ihn nicht schnell weggeblinzelt hätte. »Für solchen Firlefanz ist jetzt keine Zeit.«
»Das ist kein Firlefanz!«, widersprach Jurij empört. »Wenn ich schon mein Leben und meine Maschine riskiere, dann will ich wenigstens etwas davon haben. Und denk bloß nicht, dass deine Unterschrift keine Bedeutung hat und du mich linken kannst, wenn das hier vorbei ist. Der Schuldschein gilt auch in Deutschland. Ich habe immer noch Verwandtschaft dort, und zwar richtig böse Verwandtschaft. Ein paar von den Jungs arbeiten als Geldeintreiber. Wenn die dir einen Besuch abstatten, zahlst du mit Freuden das Doppelte, verlass dich drauf.«
»Ich habe nicht vor, irgendjemanden zu betrügen«, erklärte Dirk nervös. »Aber ich habe auch nicht die Absicht, durch diese Schlucht zu fliegen. Kapierst du das nicht?«
»Und ob ich das kapiere …« Jurij verstummte, denn in diesem Augenblick knallte es laut hinter ihnen und der Boden unter ihren Füßen bebte.
Rastalocke … Wenn der jetzt durchdrehte und mit dem MG auf den Hubschrauber feuerte …
Dirk fuhr herum, auf alles gefasst. Nur nicht auf das, was da auf ihn zustürmte.
Kapitel 26
Lubaya, die sich durch die relativ schmale Öffnung zwischen Cockpit und Kabine zu pressen versucht hatte, aber beim ersten Anlauf gescheitert war, wich einen halben Schritt zurück, um jemandem Platz zu machen, der sich mit funkelnden Augen und einer klobigen Fliegerbrille aus schwarzem Kunststoff in der Hand so dicht vor dem Pilotensessel aufbaute, wie es die Mittelkonsole mit ihren Fahrwerks- und Landeklappenhebeln zuließ. Es war Kinah, und sie war äußerst schlecht gelaunt. Sie schwenkte die Brille an ihrem Band hin und her, als wollte sie sie Dirk überziehen. »Was ist denn hier los?«, fauchte sie. »Sag mir nicht, das ist, wonach es aussieht!«
Die Lisunov machte einen kleinen Hüpfer, als sei ihr Kinahs Bemerkung auf den Magen geschlagen. Dirk riss seinen Blick von seiner wütenden Frau los und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Steuer. Jetzt bloß keine hektische Bewegung, dachte er und versuchte, das Steuerhorn ganz ruhig zu halten. Die Wolken vor ihm waren zu Wirbeln geworden, die von dem Flugzeug ausgingen und in die Teufelsschlucht hineingetragen wurden, wo sie sich an Kanten und Vorsprüngen brachen oder zurückgedrängt wurden. Das Steuer in seinen Händen begann mit kleinen, nervösen Bewegungen darauf zu reagieren, und unter all dem lag eine Vibration, die zuerst kaum spürbar gewesen war, sich nun jedoch schlagartig steigerte.
»Das, meine Teuerste, ist eine Fliegerbrille«, antwortete Jurij gestelzt. »Und genau betrachtet ist es sogar meine.«
Kinah starrte ihn aufgebracht an. »Das meine ich nicht, und das wissen Sie ganz genau. Das ist doch kein
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