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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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setzte sie sich den schweren Kopfhörer auf und fummelte so lange an dem verstellbaren Bügel herum, bis er passte. Dirk bezweifelte, dass sie Jurijs Abhörjob erfolgreich übernehmen konnte. Hatte sie in der Grotte nicht behauptet, sie beherrsche kein Arabisch? Wie sollte sie da die Hubschrauberpiloten verstehen?
    »Weil sie einen Dialekt sprechen, den ich sehr wohl verstehe«, antwortete sie ihm auf seine diesbezügliche Frage. »Das heißt allerdings nicht, dass ich mich fließend mit ihnen unterhalten könnte.«
    Dirk wusste nicht, ob er ihr das glauben sollte, aber was er ihr auf jeden Fall abnahm, war, dass die beiden Hubschrauber sie in Raubvogelmanier jagen würden. Er hatte bloß keine Ahnung, warum.
    »Dirk …« Jurijs Stimme klang angespannt. »Sag deinem langhaarigen Freund mit dem nervösen Zeigefinger, er soll sich bereithalten.«
    Dirk erstarrte. Wofür sollte sich Rastalocke bereithalten? Dafür, auf einen Hubschrauber zu schießen, an dessen Bord Akuyi war?
    Er brauchte nicht zu protestieren, das erledigte schon Kinah. »Wir werden hier keine Ballerei über den Wolken veranstalten!«
    »Nicht über, sondern in den Wolken«, knurrte Jurij. »Und die werden immer dichter und ungemütlicher. Das sind keine normalen Wolken, die haben ja richtig Konsistenz. Das geht schon jetzt auf die Motorenleistung. Wenn wir nicht bald hier rauskommen, bremsen die uns noch aus.«
    Dirk hatte keine Ahnung, ob das Fliegerlatein war oder nicht. Gewiss, es gab die verschiedensten Arten von Wolkengebilden, von flüchtigen, lichtdurchfluteten Kumuluswolken bis hin zu dichten, sich ineinanderschiebenden, tiefschwarzen Gewitterwolken, und auch Nebel konnte in verschiedener Form auftreten, leicht schlierig und diesig sein oder wie ein erstickender, nasser Mantel, der einen einhüllte.
    Das hier jedoch war … anders als alles, was Dirk bisher gesehen hatte. Er hätte nicht einmal sagen können, worin genau der Unterschied lag, aber dass es einen gab, stand außer Zweifel. Aus seiner Position am Boden erkannte er dunkle, fast stofflich wirkende Wirbel, die sich vor dem Bugfenster teilten und an der Maschine vorbeiglitten, zurückkamen und die Lisunov überholten, vor ihr in sich zusammenfielen oder dichter wurden und dann absackten. Das sah derart fremd und beklemmend aus, dass Dirk den Anblick nicht ertragen konnte und lieber auf den Boden vor sich starrte, auch wenn das bedeutete, sämtliche Ecken und Ritzen vor Augen zu haben, die Biermanns schnelle Säuberungsaktion nicht von dem gesammelten Unrat der letzten Jahre hatte befreien können. Dirks Blick schweifte über Papierfetzen, Staub, Schimmel, Schrauben und andere Kleinteile – ein übles Sammelsurium, das jede Putzfrau zu einer Desinfektionsorgie herausgefordert hätte.
    »Wir müssen da durch.« Kinah trommelte nervös auf das klobige Funkgerät. »Wir müssen zu Akuyi. Diese Wolken, die Hubschrauber …«
    »Du meinst den Atem der Götter und die Raubvögel«, unterbrach Lubaya sie grimmig.
    »… waren für Wamar eine Prüfung und sind es nun für uns.« Kinah stieß einen Seufzer aus. »Es ist wichtig, den Kontakt mit den Ahnen zu halten, die Weisheiten anzunehmen, die sie uns über die Abgründe der Zeit hinweg übermitteln. Überall, wo ich war, bin ich in alte Geschichten und Mythen eingetaucht, überall habe ich versucht, die Lebensweise und die Gedanken der Generationen zu verstehen, die lange vor uns die Erde bevölkerten.«
    »Alles schön und gut, und meinetwegen auch wichtig …« Dirk konnte nicht verhindern, dass sich seine Stimme fast überschlug. Er blickte zu Kinah hoch und betrachtete ihr reizvolles Profil und den kleinen Kratzer auf ihrer Wange. »Aber du vergisst dabei eine Kleinigkeit. Akuyi ist in einem der Hubschrauber, die uns jagen!«
    Kinah drehte den Kopf und starrte ihn mit unbewegtem Gesicht an. Dirk bemerkte, wie angespannt und zugleich erschöpft sie aussah. Die dunklen Ringe unter ihren Augen und der bittere Zug um ihren Mund zeigten ihm, dass sie sich nur mit Mühe zusammenriss. »Nein, das ist sie nicht.«
    »Wie kommst du darauf?« Dirk deutete mit einer beinahe ärgerlichen Handbewegung auf den schwarzen Kopfhörer, den sich Kinah schräg übergestülpt hatte, sodass nur ihr linkes Ohr bedeckt war und das rechte frei blieb. »Hast du irgendwelche Neuigkeiten über Akuyi aufgeschnappt?«
    Kinah schüttelte den Kopf. »Nein. Aber dass du sie gehört hast …«
    »War bloß Einbildung?« Dirk lachte hysterisch. »Das kann ich nur

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