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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Cockpit fuhr, war längst nicht mehr nur unangenehm, sondern quälend. »Na ja, wenn es denn passt. Und was bedeutet der zweite Name?«
    »Der zweitgeborene Zwilling. Es ist ein alter, ritueller Name. Er weist nicht nur auf den Platz innerhalb eines Zwillingspaars hin, sondern auch auf die große Macht, die ein verschiedengeschlechtliches Zwillingspaar hat. Kennst du eine europäische Sprache, in der es unzählige Bezeichnungen für Zwillinge gibt?«
    »Und warum werden in Afrika mehr Zwillinge geboren?«
    »Weil viele unserer Gedanken und Sehnsüchte um sie kreisen. Einst war die Welt eine Einheit. Doch sie zerfiel in zwei Teile, und diese Teile werden symbolisiert von einem Jungen und einem Mädchen, die beide zur gleichen Stunde von einer Frau geboren werden.« Kinahs Stimme klang schriller als zuvor, und ihr Gesicht wirkte zunehmend besorgt. Wieder blickte sie zu Jurij hinüber.
    Die Lisunov ging in den Sinkflug, und Dirk verkniff sich die Entgegnung, die ihm gerade über die Lippen kommen wollte. Es wäre ohnehin nur ein mehr oder weniger verkappter Angriff daraus geworden.
    »Hey, was soll das?« Kinah zerrte hektisch am Verschluss des Sicherheitsgurtes. »Wo fliegen wir hin? Du rammst uns ja mitten in die Felsen!«
    Dirk begann sich mühsam aufzurichten. Im Gegensatz zu Kinah konnte er nicht sehen, was sich unter der Nase der Maschine befand. Aber noch bevor er aufrecht stand, entfuhr Jurij ein Röcheln.
    »Schnell, hilf mir«, keuchte er. »Ich kriege die Maschine nicht hoch!«
    Der alte Mann versuchte ebenso verzweifelt wie kraftlos, das Steuerhorn zu sich zu ziehen. Dirk stemmte sich mit dem Rücken gegen die Außenwand und unterstützte Jurijs Bewegung mit beiden Händen und aller Kraft.
    »Genug!«, stieß Jurij hervor. Die Nase der Lisunov hatte sich merklich gehoben. »Wir wollen doch keinen Looping drehen!«
    Dirk ließ ein bisschen nach, doch da legte ihm Jurij mit einer erstaunlich kraftvollen Bewegung die Hand auf den Unterarm und schob ihn weg. »Es geht schon wieder. Mir war gerade nur ein bisschen flau.«
    Dirk wechselte einen Blick mit Kinah. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und auf ihrer Stirn perlte Schweiß. Sie nickte fast unmerklich und sagte: »Es wird Zeit, dass wir landen.«
    »Sehe ich auch so«, knurrte Jurij. »Und jetzt festhalten, Leute! Da vorne gehen wir runter!«

Kapitel 28
    Krachendes, berstendes Metall, darauf hatte sich Dirk eingestellt, auf einen harten Ruck, der seine Glieder zusammenstauchte und ihm das Bewusstsein raubte. Aber nicht auf Vogelzwitschern, das leise Prasseln von Regen und das Klappern von Küchenutensilien.
    »Der Kaffee ist gleich fertig, Liebling«, sagte Kinah.
    Dirk fuhr hoch – und schlug mit dem Kopf gegen den Bauch des Flugzeugs, unter dem er hockte. Einen verrückten Moment lang hatte er geglaubt, Kinah wäre an einem verregneten Sonntagmorgen vor ihm aufgestanden, um ihn mit einem perfekt angerichteten Frühstück zu überraschen. Aber das war natürlich völliger Blödsinn. Die aufgehende Sonne hatte die Schatten der Nacht noch nicht ganz vertrieben, und die Flammen des Lagerfeuers, an dem Kinah und die anderen saßen, zeichneten flackernde Figuren vor ihm in den Sand.
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich mich freue, dich ausgerechnet hier zu sehen«, sagte eine knorrige Stimme.
    Dirk blinzelte. Er war eindeutig noch nicht richtig wach. Die Person, die er für Kinah gehalten hatte, war in Wirklichkeit jemand anderes. Sie war nicht einmal eine Frau, sondern ein uralter Mann, dessen lange weiße Haare ein wettergegerbtes, tiefschwarzes Gesicht umrahmten.
    »Es ist an der Zeit, dass du deinen Sohn kennenlernst«, fuhr der Schamane fort.
    Dirks Magen krampfte sich zusammen. Das Gespräch mit Kinah über ihren gemeinsamen Sohn Noah Kehinde hatte ihn mehr aufgewühlt, als er das während eines derart irrwitzigen Fluges für möglich gehalten hatte (Mein Gott! Hatte es tatsächlich eine Luftschlacht gegeben? Hatte Rastalocke wirklich einen Hubschrauber abgeschossen? War Janette tatsächlich von einer Maschinenpistole getroffen worden und aus dem Flugzeug gefallen?)
    Ungeachtet all des Schrecklichen, das geschehen war: Ja, es war höchste Zeit, dass er seinen Sohn kennenlernte. Aber warum hockte er hier und warum war es jetzt schon Morgen, obwohl die Notlandung mitten in der Nacht stattgefunden hatte?
    »Wo bin ich?«, fragte er.
    »Wo immer du willst«, antwortete der alte Mann.
    Dirk versuchte, den Schamanen genauer zu fokussieren, doch es gelang ihm

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