Sturm: Roman (German Edition)
hatte seinem Freund sogar einmal halb scherzhaft gedroht, dass er ihm das Kreuz brechen würde, sollte er versuchen, seine Frau anzubaggern. Und natürlich hatte Mario Stein und Bein geschworen, dass Kinah für ihn absolut tabu war.
Der Scheißkerl hatte gelogen und sein Vertrauen missbraucht. Das war ungeheuerlich. Doch Dirk stellte sich auch die Frage, warum Kinah Mario geschützt und ihm nichts von der widerlichen Anmache erzählt hatte.
»Du scheinst mir im Laufe unserer Ehe eine ganze Menge verschwiegen zu haben«, sagte er ernüchtert.
»Das ein oder andere.« Kinah zitterte inzwischen am ganzen Körper, als hätte sie Schüttelfrost. »Nichts wirklich Wichtiges – bis auf die Zwillinge, die ich dir geboren habe.«
Die ich dir geboren habe war in diesem Zusammenhang eine aberwitzige Formulierung. »Und bis auf die Tatsache, dass du was mit Mario hattest?«
»Spinnst du?« Kinah schüttelte empört den Kopf. »Ich habe nie auch nur im Traum daran gedacht, mit dem schmierigen Kerl ins Bett zu gehen!«
»Das habe ich ja auch nicht behauptet«, sagte Dirk scharf. »Ich habe lediglich gefragt. Was weiß ich denn schon? Kann ich mir überhaupt sicher seih, dass ich Akuyis Vater bin?«
»Dessen kannst du dir verdammt sicher sein!«, rief Kinah. »Du bist der Vater beider Kinder! Ich habe dich während unserer Ehe nicht ein einziges Mal betrogen!«
»Na, da kann ich mich wohl glücklich schätzen, nicht wahr? Und dann auch noch der Vater von beiden Zwillingen! Als ob biologisch etwas anderes möglich wäre«, höhnte Dirk. Als Kinah ihn unterbrechen wollte, winkte er ab. »Vergiss Mario, Olowski und wer dich sonst noch angebaggert hat, während wir zusammen waren. Ich will endlich wissen, was es mit dem zweiten Kind auf sich hat! Und warum du es mir verheimlicht hast!«
»Das lässt sich nicht so einfach erklären«, antwortete Kinah. »Die Gründe liegen in meiner Vergangenheit, im Erbe meiner Ahnen, das mir mein Vater übergeben hat.«
»Ich verstehe kein Wort.«
»In meiner Heimat – in fast ganz Afrika – spielt der Zwillingskult eine große Rolle.« Die Lisunov wurde erneut von Turbulenzen erfasst, und Kinah duckte sich noch tiefer in ihren Sitz als zuvor. »Wusstest du, dass es zum Beispiel bei den Yoruba vier Mal so viele Zwillingsgeburten gibt wie im europäischen Durchschnitt?«
»Das ist ja spannend«, sagte Dirk gereizt. »Ich kann dir auch ein paar interessante Fakten nennen: Computer stürzen nachweislich viel häufiger ab, wenn sich ihr Besitzer besonders aufregt. Das bedeutet, dass ich mich jetzt besser nicht an einen Computer setze, weil der garantiert explodieren würde.«
»Okay, ich habe verstanden.« Kinah rieb sich mit den Händen über die Oberarme, als wollte sie sich aufwärmen. »Aber du solltest wissen, dass ein Zwillingspaar bei uns als etwas Vollkommenes gilt. Es repräsentiert den zweigeschlechtlichen Zustand der Welt in der Urzeit. Deswegen werden Zwillinge in Afrika sehr verehrt. Besonders, wenn es sich dabei um einen Jungen und ein Mädchen handelt.«
»Meine Güte, Kinah!« Dirk wurde langsam wütend. »Hättest du mir nicht gleich sagen können, dass ich einen Sohn habe?«
Kinah zuckte unglücklich mit den Schultern. »Eigentlich nicht. Weil du erst die Hintergründe kennen musst.«
»Einen Sohn von sechzehn Jahren, den ich noch nie zu Gesicht bekommen habe! Von dem ich bis heute noch nicht einmal wusste!« Dirk durfte sich das gar nicht im Detail vorstellen. »Das ist wirklich ein bisschen viel auf einmal. Wäre ich doch bloß bei der Geburt dabei gewesen!«
»Genau das durftest du nicht«, sagte Kinah betreten. »Deswegen … deswegen musste ich dir auch einen falschen Termin nennen. Denn du wolltest ja unbedingt dabei sein.«
Dirk verschluckte sich fast. »Sag das noch mal!«
»Ich musste dafür sorgen, dass du bei der Geburt nicht dabei warst.« Kinahs Augen funkelten, als hätte sie das Recht, wütend zu sein, nicht er. »Das ist mir alles andere als leichtgefallen. Schließlich wollte ich dich nicht verletzen.«
»Wie rücksichtsvoll.«
»Überhaupt niemand durfte erfahren, dass ich Zwillinge zur Welt gebracht hatte!« Kinah redete sich geradezu in Rage. »Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie schwer es für mich war, meinen Sohn direkt nach der Geburt meinem Vater zu überlassen?«
»Deinem Vater?« Dirk fühlte sich, als hätte man ihm einen nassen Waschlappen ins Gesicht geschlagen. »Ich dachte, dein Vater wäre tot? Was zum Teufel hat dein Vater
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