Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
früher oft geholfen. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen.«
    »Er hat dir Aufträge vermittelt und dabei kräftig abkassiert.«
    »Ach ja? Das gehört doch dazu.« Dirk musste beinahe schreien, um das heranrasende Grollen zu übertönen. »Er hat nichts weiter getan, als seine Provision zu kassieren.«
    »Und hin und wieder vergessen, dir die eine oder andere Zahlung anzuweisen.« Ein wahres Funkenmeer stob aus dem Feuer. Es sah aus, als umtanzten unzählige winzige Feuerteufel den Schamanen. »Ganz abgesehen davon, dass er dich auf eine falsche Spur gesetzt hat. Es geht nicht um Mädchenhandel, wie er behauptet hat. Es geht um das, was die Menschen den Göttern näherbringen, aber auch ihren schlimmsten Dämonen ausliefern kann. Um etwas, das nur in die Hände verantwortungsvoller Schamanen gehört.«
    »Und was soll das sein?«, fragte Dirk, obwohl er es längst ahnte.
    »Berauschende Substanzen.« Auch die Stimme des Alten klang nun wie ein dumpfes Donnergrollen. »Substanzen voller Gefahr und Verlockung. Substanzen, die früher nur bei ganz besonderen Anlässen eingenommen wurden. Und die immer ins Verderben führen, wenn man nicht die Hände von ihnen lassen kann.«
    »Rauschgift. Aber was …?«
    »Was Mario damit zu tun hat? Und verschiedene andere Menschen, denen du in letzter Zeit begegnet bist?« Der Alte war kaum noch zu verstehen, seine Stimme und die Geräusche des Donners schienen miteinander zu verschmelzen. Aber nicht alleine das alarmierte Dirk. Während der ganzen Zeit hatte die Umgebung geflirrt, doch jetzt beschleunigte sich dieses Abdriften ins Diffuse, nicht Fassbare. Der Alte verschwamm vor seinen Augen, das Feuer brach in sich zusammen, als habe ihm eine rätselhafte Kraft die Grundlage entzogen.
    »Das wirst du noch herausfinden. So oder so«, hörte Dirk die Stimme des Schamanen, dann verstummte sie mit einem beängstigend falsch klingenden Laut.
    »Jetzt!«, schrie Dirk. »Ich will es jetzt wissen!«
    Der Wind, der eben noch sein Haar zerwühlt hatte, zog sich zurück und nahm alles mit, was Dirk vor wenigen Sekunden deutlich vor Augen gehabt hatte. Das Feuer erlosch nicht vollständig, aber es veränderte sich. Aus dem prasselnden, funkensprühenden Lagerfeuer wurde etwas bösartig vor sich hin Zischelndes und stark Qualmendes, das ihm die Sicht nahm.
    Da begriff Dirk schlagartig, wo er war. Es war alles Illusion gewesen. Er hatte sich nur eingebildet, draußen unter dem Flugzeug zu hocken. In Wahrheit saß er nach wie vor eingeklemmt zwischen der Bordwand und dem Pilotensitz der Lisunov. Das, was er im Dämmerzustand für ein Lagerfeuer aus geschichtetem Holz gehalten hatte, waren in Wirklichkeit die Flammen, die aus den Cockpit-Instrumenten schlugen.
    »Wo ist Noah?«, brüllte Dirk. »Wie geht es ihm? Was für ein Junge ist überhaupt aus ihm geworden?«
    Natürlich bekam er keine Antwort. Und natürlich hatte es das Geräusch krachenden, berstenden Metalls tatsächlich gegeben. Die Lisunov hatte viel zu hart aufgesetzt, und der Aufprall hatte seine Glieder zusammengestaucht und ihm das Bewusstsein geraubt. Dirk erinnerte sich wieder. Jurij hatte die Lichter seiner alten Maschine gelöscht und war mit hoher Geschwindigkeit in den Sinkflug gegangen. Alles war glattgelaufen, bis er die Landeklappen hatte ausfahren wollen. Ein Schuss aus der Bordkanone des Hubschraubers musste die Hydraulik getroffen haben, denn Jurij hatte weder das Fahrwerk ausfahren noch die Lisunov vernünftig steuern können. Er hatte hastig das Licht wieder angeschaltet. Bevor sich die Nase des Flugzeugs erneut gehoben und ihm die Sicht versperrt hatte, hatte Dirk den schmalen Streifen gesehen, auf den sie zugerast waren.
    Was danach passiert war, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Er wusste nur, dass er mit dem Kopf irgendwo gegen geknallt war und ihn eine erstickende Dunkelheit eingehüllt hatte.
    Die Erkenntnis, dass er nicht am Lagerfeuer mit einem alten Mann gesprochen, sondern die ganze Zeit im Cockpit der Lisunov gehockt hatte, durchdrang Dirk wie ein tödliches Gift. Natürlich existierte der Schamane nicht, das war ihm klar. Der alte Mann war nichts weiter als eine Manifestation seiner Sehnsüchte und Befürchtungen, ein Zeichen dafür, dass sein Verstand den Druck der letzten Wochen und Tage nicht mehr lange aushalten würde. Und trotzdem. Alles hatte so erschreckend real gewirkt. Und es wäre ja auch möglich gewesen. Wenn die anderen ihn nach der Notlandung aus der Maschine gezogen und unter

Weitere Kostenlose Bücher