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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hilfe der Geister kannst du sie finden.« Das Gesicht des Alten verschwand fast hinter den immer dichter werdenden Rauchschwaden. »Du musst nur in dich hineinhören.«
    »Das brauche ich nicht, wenn du mich jetzt mit meinem Sohn bekannt machst«, sagte Dirk rasch.
    »Was ich nicht kann. Jedenfalls nicht auf die Art, die du dir in deiner Naivität vorstellst«, antwortete der Weißhaarige. »Ich kann dir lediglich den Weg weisen. Gehen musst du ihn alleine.«
    Dirk drehte den Kopf zur Seite, um den stinkenden Schwaden zu entgehen. Vergebens. Der Rauch biss in seiner Nase und kratzte in seinem Hals. »Dann sag mir, welchen Weg ich gehen muss.«
    »Zuerst musst du ein paar Dinge begreifen. Und zwar nicht nur hier« – der Schamane tippte sich gegen die Stirn –, »sondern auch hier.« Er klopfte gegen seine Brust, dorthin, wo sein Herz saß. Das vermutete Dirk zumindest, denn durch die Rauchschwaden hindurch konnte er kaum mehr vom Oberkörper des Schamanen erkennen als einen Schatten.
    Dirk räusperte sich. »Ich kapiere im Allgemeinen recht schnell. Also schieß lös!«
    »Es wird dir vielleicht nicht gefallen«, warnte ihn der Alte.
    »Das lass mal meine Sorge sein.«
    »Mit einer solchen Antwort muss man bei einem Europäer wohl rechnen.« Je mehr der Schamane vom Rauch eingehüllt wurde, desto tiefer und rauer wurde seine Stimme. »Genauso wie damit, dass er sich nicht richtig um seine Familie kümmert.«
    »Was soll das denn heißen?«, fragte Dirk scharf.
    »Du hast nicht gut auf deine Frau aufgepasst«, knurrte der Alte. »Sie hätte sterben können.«
    »Meine Frau?« Dirk hustete. »Meine Frau hat es in den letzten Jahren vorgezogen, auf sich selbst aufzupassen. Daher bin ich wohl kaum für ihr Wohlergehen verantwortlich!«
    Der Alte runzelte die Stirn. »Du redest Unsinn. Ein Mann ist immer verantwortlich für seine Familie. Nur, weil er schwach ist und seine Frau nicht im Griff hat, entlässt ihn das noch lange nicht aus der Verantwortung!«
    Dirk fuhr sich durch die Haare. Ansichten wie diese waren ihm nicht neu. Stammtischgelaber von alten Leuten, häufig verbunden mit der Aufforderung, der Frau zu zeigen, wo der Hammer hing.
    »Kinah hat mir vieles verheimlicht.« Dirk versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Sein Körper wollte ihm nicht gehorchen. »Zum Beispiel das, was du ihr aufgetragen hast. Das, weswegen du dich in unsere Familie eingeschlichen hast. Kinahs Vater hat mir meinen Sohn genommen!«
    »Aber nein.« Der Weißhaarige machte eine rasche Handbewegung, woraufhin der Rauch zurückwich, als flöhe er vor ihm. »Er hat ihn dir nicht genommen. Er hat ihn beschützt und ihn gelehrt, ein Mann zu sein. Er hat dafür gesorgt, dass er sich dem Erbe seiner Vorfahren würdig erweist. Und die Ahnen haben deinen Sohn angenommen. Sie haben ihm ihren Segen erteilt!«
    »Na, da bin ich ja froh!«, sagte Dirk bissig. »Trotzdem hätte ich Noahs Erziehung lieber selbst übernommen.«
    Der Alte beugte sich vor, klaubte ein paar Reisigstücke vom Boden und warf sie in das Feuer.
    »Ein Mann übernimmt nie alleine die Erziehung. Auch seine Freunde tragen dazu bei. Sie haben großen Einfluss auf seinen Sohn, und deshalb ist es wichtig, was für Freunde der Vater hat. Ob sie ehrenhafte Männer sind oder nicht.«
    Dirk biss dermaßen fest die Zähne aufeinander, dass es wehtat. Mario. Sein bester Freund. Und ganz gewiss kein ehrenhafter Mann, wie er inzwischen wusste.
    »Du antwortest nicht. Ich respektiere das«, sagte der Schamane. »Es zeigt mir, dass du sehr genau weißt, wovon ich spreche.«
    »Wenn du meinen angeblich besten Freund meinst, der hinter meinem Rücken Kinah angebaggert hat«, entfuhr es Dirk, »dann hast du allerdings recht. Es ist gut, dass Noah ihn nicht kennengelernt hat. Aber ich habe ja noch andere Freunde.«
    »Männer, mit denen man gelegentlich ein Bier trinkt, wie das bei euch üblich ist, sind keine Freunde«, stellte der Weißhaarige richtig. Er griff nach einem Ast und stocherte mit ihm im Feuer herum. Funken flogen und die Flammen loderten und zischten. Ein dumpfes Grollen antwortete ihnen, als kündigte sich ein herannahendes Gewitter an – oder ein Sturm, der über das Land fegte und alles mit sich riss, was ihm in den Weg kam.
    »So gesehen hattest du nur einen Freund, und der hat dich verraten. Er ist kein guter Mann.«
    »Das ist doch maßlos übertrieben!« Dirk fragte sich, warum er überhaupt den Drang verspürte, Mario zu verteidigen. »Mario hat mir

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