Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
das Feuer ein. Nach dem ohrenbetäubenden Hämmern herrschte – bis auf ein unterschwelliges Dröhnen – auf einmal eine unnatürlich anmutende Stille. Der Waffenlärm erzeugte einen dumpfen Nachhall, der jedes andere Geräusch überlagerte. Es dauerte etliche Sekunden, bevor Dirk wieder das Prasseln des Regens, das Heulen des Windes und das aufgeregte Murmeln unmittelbar vor ihnen hörte.
    Er blickte hinüber zum Suchscheinwerfer, der den Flugzeugbug anstrahlte und das glühende Metall in etwas unwirklich Glänzendes verwandelte, einem Raumschiff gleich, das durch die Abgründe von Raum und Zeit flog. Soweit Dirk erkennen konnte, war die Lisunov nicht von weiteren Schüssen durchsiebt worden, ihre Narben stammten von dem Kampf in den Wolken.
    Kinahs Rücken tauchte im Lichtkegel auf, ein grauer Schemen, der durch den Regen lief. Sie musste ohne zu zögern an Jurij, Biermann und John vorbeigestürmt sein, um ihrem Jan klarzumachen, dass die Waffen zu schweigen hatten.
    »Aus dem Weg!«, brüllte Biermann.
    Dirk zuckte zusammen. Ein Teil von ihm hatte gehofft, dass der von blindem Rachedurst getriebene Mann getroffen worden war –nicht so schwer, dass er seiner Verletzung erlag, aber schwer genug, um den außer Kontrolle geratenen Angriff abbrechen zu müssen.
    Das schien jedoch ganz und gar nicht der Fall zu sein. Biermann wollte weiterschießen, und Kinah war ihm im Weg. Er würde keinerlei Rücksicht auf sie nehmen, das war Dirk klar. Doch Kinah ging nicht in Deckung.
    Dirk schrie auf. Er war direkt hinter ihr, hatte sie beinahe eingeholt. Er verschwendete keinen Gedanken daran, in welcher Gefahr er selbst schwebte. Er wollte sich über sie werfen, sie unter sich begraben, um sie so gut wie möglich zu schützen.
    Kinah blieb abrupt stehen und schwankte. Dirk schrie erneut. Wenn sie getroffen war, wenn sie jetzt und hier blutüberströmt zusammenbrach, wenn sie in seinen Armen starb, dann war alles aus, alles sinnlos. Dann hatte er durch seine Halsstarrigkeit und Blindheit eine Tragödie ausgelöst.
    Er packte Kinah an den Schultern, wirbelte sie herum und brachte sich zwischen sie und den Hubschrauber.
    Jemand eilte auf ihn zu und hob eine nur als schwarzer Schemen zu erkennende Waffe. Mündungsblitze blendeten ihn, dann knallte es zwei oder drei Mal so laut, dass er glaubte, sein Trommelfell müsse platzen.
    Dirk erwartete den Einschlag der Kugeln in seinem Körper. Aber er spürte keinen Treffer. Offenbar hatte Biermann oder Rastalocke geschossen – mit der mickrigen, lächerlichen Pistole gegen die Maschinenwaffe des Hubschraubers.
    Hinter Dirk zuckte ein greller Feuerblitz, und irgendjemand schrie. Die Schüsse hatten ihr Ziel erreicht. Und hoben den Wahnsinn auf die nächste Stufe.
    Gleich mehrere Waffen antworteten der Pistole. Dirk hielt Kinah fest umklammert und sprang mit ihr so nahe an den Bug der Lisunov heran, wie es ihm mit einer einzigen, verzweifelten Bewegung gelang. Er hatte seine Grundausbildung und das Soldatspielen niemals ernst genommen, anders als die Schwachköpfe, die sich für längere Zeit verpflichtet hatten und jederzeit damit hatten rechnen müssen, in irgendein Krisengebiet geschickt zu werden, wo ein Menschenleben weniger zählte als die nächste Mahlzeit, und die das Kampftraining deswegen mit sehr viel größerer Motivation absolviert hatten als er selbst. Dennoch handelte er jetzt ganz instinktiv so, als wäre er erfolgreich darauf gedrillt worden, unter feindlichem Beschuss sich und einen verletzten Kameraden zu retten. Er konnte nicht unter das Flugzeug kriechen, aber er konnte möglichst nahe an die glühende Metallhülle heranrobben, an den einzigen Schutz, den er vor direkten Treffern und Querschlägern hatte.
    Biermann oder Rastalocke knallte wie verrückt weiter um sich, sprang aber gleichzeitig auch schon zurück. Dirk warf sich mit Kinah zu Boden und versuchte, noch im Fall eine halbe Drehung hinzubekommen, die zumindest seinen rechten Arm unter ihren Körper brachte und seinen Rücken vor sie.
    Es gelang ihm einigermaßen. Sie landeten im Matsch wie hingeworfen. Kinah lag nun zwischen ihm und dem Flugzeugrumpf. Der Nebel verschluckte sie und verwehrte Dirk die Sicht auf seine Umgebung.
    Er musste mit Kinah entlang der Lisunov zurückrobben, so weit weg wie möglich von den wahnsinnigen Männern, die unbedingt Krieg spielen wollten und nicht eher aufhören würden, bis sie alle von Kugeln durchsiebt in ihrem Blut lagen. Er musste Kinah zu Lubaya bringen, die

Weitere Kostenlose Bücher