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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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für einige Zeit bewusstlos gewesen war. Aber wenn es stimmte, was Olowski und der andere behaupteten – warum hatte ihm Kinah nichts davon gesagt? Sollten die Geräusche des Feuers und des sich durch die Hitze dehnenden Metalls in der Lisunov so laut gewesen sein, dass sie nicht verstanden hatte, was man ihnen herübergerufen hatte? Oder hatte sie in der Aufregung nur vergessen, ihm davon zu erzählen?
    Olowski packte Biermann an den Armen, einer seiner Begleiter, den Dirk aus seiner Position heraus mehr erahnte als sah, nahm seine Beine. Gemeinsam zogen sie den schweren Mann von ihm herunter.
    Nachdem sie Biermann neben ihn gelegt hatten, hätte Dirk befreit aufatmen können. Doch ganz abgesehen davon, dass er nicht wusste, was mit dem Privatdetektiv los war (die Tatsache, dass er sich nicht rührte, gab Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen), hatte er immer noch kein Lebenszeichen von Kinah bekommen. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Kinah?«, krächzte er heiser. Keine Reaktion.
    »Was ist mit dir?«, erkundigte sich Olowski. »Bist du verletzt?«
    »Nein, nicht wirklich.« Dirk musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu schluchzen. »Ich bin nicht von einer Kugel getroffen worden, wenn du das meinst. Aber ich weiß nicht, was mit Kinah ist.«
    »Dann steh auf«, sagte Olowski rasch. »Warte, ich helfe dir.«
    Er griff nach Dirks linker Hand, fasste ihn an der Schulter und zog ihn ein Stück zur Seite. Dirk gelang es kaum, Kinah loszulassen. Nicht, weil er körperlich nicht dazu in der Lage war, sondern, weil er sie gar nicht loslassen wollte. Es hatte etwas schrecklich Endgültiges, die Hand unter ihrem warmen Körper wegzuzerren. Es kam ihm vor wie ein Abschied.
    Dann stand er unbeholfen, zitternd und von Jan Olowski gestützt auf. »Wir müssen …«, begann er.
    »Nachsehen, wie es ihr geht«, unterbrach ihn eine resolute Frauenstimme. Lubaya. Endlich. Die massige Schwarze, mit der er sich bei ihrer ersten Begegnung so unangenehm gestritten hatte, war die Einzige, der er zutraute, Kinah wirklich zu helfen. Sie kam näher, ein wogender Schatten, vor dem der Nebel zu fliehen schien, sodass ihre beeindruckende Gestalt weitaus besser zu sehen war als Olowski und seine Begleiter. »Keine Sorge, Leute«, rief sie ihnen entgegen. »Ich bin unbewaffnet und habe nicht vor, irgendjemanden anzugreifen. Ich will nur helfen.«
    »Wenn Sie helfen wollen«, sagte der Mann mit der befehlsgewohnten Stimme und schwenkte seine Lampe zu Lubaya, »dann kümmern Sie sich um den angeschossenen Mann im Hubschrauber!«
    »Das werde ich«, antwortete Lubaya. »Aber erst muss ich nach der Frau sehen.«
    Sie war Dirk jetzt so nah, dass er sie deutlich erkennen konnte. Ihr schwarzes Gesicht glänzte vor Nässe, und ihre Haare hätte man auswringen und eine Stunde lang föhnen und kämmen müssen, um sie wieder in Form zu bringen. Sie betrachtete ihn ernst und aufmerksam, als erwartete sie irgendetwas von ihm.
    »Ich habe versucht …«, begann Dirk kläglich.
    »Ich weiß, was du versucht hast, weißer Mann«, unterbrach ihn Lubaya. »Du versuchst, einen Weg zu gehen, an den du selbst nicht wirklich glaubst. Kein Wunder, dass dann alles in einer Katastrophe endet.«
    Sie gab weder Dirk noch den anderen Männern Gelegenheit, etwas zu erwidern, sondern ging sofort in die Hocke. Der Mann, der die Lampe in den Händen hielt, leuchtete den Platz vor ihr aus.
    Während sich Lubaya ächzend neben Kinahs leblosem Körper niederließ, fuhr ein derart starker und heißer Windstoß über die Ebene, dass Dirk schwankte und einen Ausfallschritt machen musste, damit ihn die Bö nicht umblies. Der Wind war so warm, als wäre er von der Erinnerung der Wüste an ihre heißesten Tage genährt. Er trieb den Regen vor sich her, scheuchte ihn über den matschigen Boden wie ein arabischer Händler eine Gruppe vorlauter Kinder. Der Niederschlag hörte nicht sofort auf, aber heftige Böen rissen die schwarzen Wolken auseinander, die ihre nasse Last bisher beharrlich über dem improvisierten Landeplatz abgeladen hatten. Auch der Nebel stob nicht ganz davon, verlor jedoch dort, wo die Brise heiß und fauchend in ihn fuhr, an Konsistenz und verwandelte sich in vereinzelte Schwaden, die über der Ebene verwirbelt wurden.
    In die Männer um Dirk kam Bewegung, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich gleich ihm gegen die tobende Urgewalt der Sturmausläufer stemmen mussten, um nicht einfach umgeweht zu werden.
    »Es geht los!«, rief der Mann mit der

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