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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vernichtungswillen.
    Der Hubschrauberpilot wirbelte herum, hob seine Waffe und schoss, ohne zu zielen. Die Kugel schlug einen Meter neben Dirk in den Matsch.
    Rastalocke hatte nur einen Schuss, und er hatte ihn sich für diese Gelegenheit aufgespart.
    Er nahm sich Zeit, sein Ziel anzuvisieren. Das Glück war auf seiner Seite, der Wind hatte den Nebel vertrieben und das Licht des auf die Lisunov gerichteten Scheinwerfers wurde von dem Flugzeugwrack reflektiert, sodass die Strecke bis zum Hubschrauber wie von hellem Mondschein erleuchtet dalag.
    Die Signalpatrone fauchte hervor.
    Rastalocke mochte tödlich verletzt sein, aber er hatte eine ruhige Hand. Die Patrone zischte an dem Piloten vorbei und durch die offene Cockpittür in die Maschine. Für eine Weile herrschte Stille. Es schien Dirk, als hielte der Sturm inne, als wummerte nur noch sein eigenes Herz, dafür aber viel lauter, als es eigentlich sollte …
    Plötzlich barst etwas. Ein heller Feuerschein drang aus dem Hubschrauber, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall, und dann zerriss eine gewaltige Explosion die Maschine.

Kapitel 31
    Die Nacht war sternenklar, als hätte es nie Nebel und Regen gegeben, und von den warmen, mitunter fast heißen Böen war nicht mehr geblieben als ein angenehm mildes Lüftchen, das ihre durchweichten Kleider und klitschnassen Haare wie ein auf niedrige Stufe gestellter Fön trocknete. Es war, als wollte die Natur all die Unbill wiedergutmachen, die sie ihnen zugemutet hatte. Pfützen reflektierten das Licht der Sterne wie unergründliche, tiefschwarze Spiegel in Märchenschlössern. Wann immer Dirks Blick auf einen dieser Spiegel fiel, sah er sich selbst darin auftauchen wie einen Geist, oder auch Jurij, der an seiner Seite ging; manchmal sogar Kinah, die nur zwei Schritte vor ihm neben Jan dem Pfad folgte. Ihr Abbild im Wasser mochte flüchtig sein, aber es berührte etwas tief in ihm, den Teil, der trotz der Katastrophe und aller bösen Worte unerschütterlich an ihrer Liebe festhielt.
    Dirk wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Boxernase – der eigentlich Karel hieß, wie Dirk inzwischen erfahren hatte – plötzlich stehen blieb und gen Osten starrte, wo die Nacht zögerlich den ersten zarten Rottönen wich.
    »Faster!«, feuerte er sie an. »The sky is getting light. When the sun is up, we must have shelter.«
    Lubaya schloss zu Karel auf und murmelte ihm etwas zu. Dirk vermutete, dass es sich um eine Anweisung bezüglich der günstigsten Route handelte. Karel nickte beinahe ergeben und setzte sich wieder in Bewegung.
    Es war ein Zug der Geschlagenen und Verwundeten, der sich über einen schmalen Pfad einen Berg hinaufquälte, vorbei an Senken, in denen sich das Regenwasser gesammelt hatte, und über Geröllfelder voller Kies und Sand. Mittlerweile gab der Untergrund nur noch so weit nach, dass er ihre Schritte angenehm abfederte, statt ihre Schuhe zu verschlucken wie auf der aufgeweichten Strecke, die sie bis zur ersten, noch recht flachen Anhöhe hatten bewältigen müssen.
    Trotzdem fürchtete Dirk, dass er bald keinen Fuß mehr vor den anderen würde setzen können. Er fühlte sich vollkommen ausgelaugt. Nicht nur die rein körperliche Erschöpfung setzte ihm zu, sondern vor allem die entsetzlichen Bilder und Erinnerungsfetzen, die ihm immer wieder durch den Kopf schossen.
    Er wusste mittlerweile, dass zum Zeitpunkt der Explosion noch zwei Männer im Hubschrauber gewesen waren. Dazu kam der Pilot. Alle drei hatten keine Chance gehabt. Es war nicht nur eine, es war eine ganze Serie von Explosionen gewesen, die die Maschine zerfetzt hatte. Die Munition an Bord war wie ein tödliches Feuerwerk hochgegangen und hatte Metall und Kunststoff ausgespien und in einem weiten Umkreis zerstreut. Und nicht nur das. Dirk hatte gesehen, wie eine abgerissene Hand in Johns Gesicht geklatscht war, und ihn selbst hatte etwas getroffen, das garantiert nicht künstlichen Ursprungs gewesen war, sondern menschliches Gewebe und kaum größer als ein Insekt.
    Dirk hatte so gestanden, dass er sowohl Rastalocke als auch den explodierenden Hubschrauber im Blickfeld hatte. Es war ein grauenvoller, durch und durch unwirklicher Anblick. Als Erstes flogen die Scheiben und Türen aus dem Helikopter, dann folgte ein Bombardement aus Splittern und Kleinteilen. Die Maschine schüttelte sich wie im Krampf, bis der Heckrotor samt Aufhängung barst und kurz darauf jedes andere noch scheinbar intakte Teil.
    Während Dirk all dies wie erstarrt beobachtet

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