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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stürzen, aber Venturas Mann hielt ihn fest und drehte ihn mit einem brutalen Ruck zu sich um. »Hands up!«, rief er.
    Dirk sah ihn verständnislos an, bis er begriff, dass der Mann Englisch gesprochen hatte. Er hatte ein flächiges Gesicht mit kräftigen Wangenknochen und einer breit geschlagenen Boxernase und war eindeutig kein Araber, sondern stammte wahrscheinlich aus Osteuropa. Einer jener Handlanger des Todes, die Ventura um sich geschart hatte.
    »Hands up!«, wiederholte der Mann drohend.
    Dirk hob die Hände. Je schneller er es hinter sich hatte, desto besser.
    »Wir müssen hier weg«, sagte Ventura. »Mal davon abgesehen, dass mich dieses qualmende Wrack nervös macht – wir sollten uns verziehen, bevor der Sturm losbricht.«
    Der Sturm. Richtig. Dirk hatte fast vergessen, was Kinah bewogen hatte, ihn und Akuyi zu verlassen. Ein gewaltiger Sturm, den sie schon seit Jahren heraufziehen sah und glaubte, bekämpfen zu müssen, eine mörderische Macht, die das, was die Menschheit der Natur mühsam abgerungen hatte, mit spielerischer Leichtigkeit davonzuwirbeln vermochte. Dirk hatte keineswegs die Lektion an der marokkanischen Küste vergessen, die Gewalt, mit der eine seit zehntausenden von Jahren stabile Grotte in sich zusammengefallen war. Und schon gar nicht die rätselhaften Begegnungen mit dem Schamanen und dessen Warnung vor einem monströsen Sturm, der ihrer aller Leben gefährdete.
    Wie es jetzt aussah, würde Dirk allerdings nicht im Sturm den Tod finden, sondern durch die Kugel eines Meuchelmörders.
    Der Osteuropäer richtete mit der rechten Hand eine Waffe auf ihn und tastete ihn mit der linken routiniert und nicht gerade zimperlich ab. Dirk wartete darauf, dass er mit einem triumphierenden Grinsen die Signalpistole hervorziehen würde. Aber das geschah nicht. Nach einer Zeitspanne, die Dirk endlos vorkam und zugleich derart schnell verstrich, dass seine panischen Gedanken nicht zur Ruhe kamen, trat der grobschlächtige Kerl zurück.
    »Nothing«, verkündete er mit einem schweren Akzent. »He is clean.«
    Lediglich zwei Schritte trennten Dirk von Kinah und Lubaya. Die Schwarzafrikanerin kauerte zwischen ihm und Kinah, sodass er nur Kinahs Beine sehen konnte. Olowski stand daneben, zog nervös irgendetwas aus seiner Hosentasche und verbarg es in seiner Hand.
    Dirk schubste ihn beiseite. Er hatte Angst vor dem, was ihn erwartete, dermaßen viel Angst, dass er am liebsten weggelaufen wäre, fort in die scheinbar nicht enden wollende afrikanische Nacht.
    Der Anblick war noch viel schrecklicher, als er erwartet hatte. Es sah aus, als wären Kinahs Kopf und Oberkörper in Blut gebadet worden. Der rote Lebenssaft verklebte nicht nur ihre Haare, er war ihr auch über Wangen und Hals gelaufen. Dirk entdeckte keine Einschusslöcher in ihrem Brustkorb, aber er war rot durchtränkt, schlimmer noch als bei Biermann, der hinter ihnen röchelnd sein Leben aushauchte.
    »Was … was ist … mit ihr?«, stammelte Dirk.
    Seine eigene Stimme kam ihm vor wie die eines Fremden. Er fühlte nichts, dachte nichts, spürte nur die eisige Kälte, die von seinen Beinen aus nach oben wanderte.
    Lubaya wandte sich zu ihm. Sie wirkte angespannt und erschöpft, und tief in ihren Augen glühte Zorn. Trotzdem stahl sich der Anflug eines Lächelns in ihr Gesicht, was Dirk völlig unangemessen fand.
    »Nichts«, antwortete sie.
    »Nichts?« Dirk schüttelte den Kopf. Die Kälte erreichte seinen Unterleib und kroch beharrlich weiter empor. »Und all das Blut?«
    »Das ist von Birdie«, antwortete Lubaya. »Kinah war wohl für ein paar Minuten ohnmächtig, und sie hat einen harmlosen Streifschuss am Arm. Sonst ist ihr nichts passiert.«
    Dirk hörte die Worte, verstand sie jedoch nicht. Er fragte sich, wer Birdie war – bis ihm einfiel, dass Biermann diesen Spitznamen trug. »Du meinst …?«
    »Ich meine, dass wir sie möglichst schnell hier wegbringen sollten.« Lubaya erhob sich. »Es wäre gut, wenn Jan und du das erledigen könnten. Und zwar heute noch.«
    Dirk starrte fassungslos auf Kinah hinab. Die Eiseskälte hatte mittlerweile seinen Magen erreicht und dachte trotz der erlösenden Nachricht offenbar gar nicht daran, wieder zu verschwinden.
    Kinahs Augenlider zuckten, und dann öffnete sie die Augen und sah ihn an. »Dirk«, murmelte sie. »Was ist passiert?«
    »Nichts«, antwortete Jan an seiner statt. »Oder so gut wie nichts.« Nur, dass Biermann gerade neben uns verreckt, dachte Dirk. »Aber wir haben keine Zeit

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