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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Trillion mal schlechter als Kinahs Gesicht. »Ich mache mir nicht in die Hosen. Ich möchte einfach nur wissen, wann wir ankommen.«
    »Um sechzehn Uhr Ortszeit«, antwortete Biermann prompt. »Gerade mal dreieinhalb Stunden Flugzeit, und schon sind wir in Casablanca. Und es wäre noch schneller gegangen, wenn Sie wie John und Janette von München nach Frankfurt geflogen und dort in die 10-Uhr-Maschine gestiegen wären, statt umständlich mit dem Wagen nach Frankfurt zu fahren und ein paar Stunden später aufzubrechen.«
    Dirk nahm einen tiefen Schluck aus seinem Wasserbecher. »Das war nicht umständlich, sondern sicherer.«
    »Autofahren soll sicherer sein als Fliegen?« Biermann starrte Dirk entgeistert an. »Wo haben Sie denn diese Weisheit aufgeschnappt?«
    »Das ist keine Weisheit, das ist ein einfaches Rechenexempel«, antwortete Dirk gereizt. »Bezogen auf die gleiche Kilometerleistung ist Busfahren zum Beispiel vierundzwanzig Mal sicherer als Fliegen.«
    »Wer sagt das?«
    »Die Statistiken«, erwiderte Dirk. »Und jetzt kommen Sie mir nicht damit, dass Sie keiner Statistik glauben, die Sie nicht selbst gefälscht haben. Ich habe diese Information ein paar Mal gegengecheckt, und es gibt gar keinen Zweifel, dass Fliegen bei weitem nicht so sicher ist, wie immer behauptet wird.«
    »Nun ja, jeder Mensch braucht ein Hobby«, sagte Biermann säuerlich. Er zupfte seine wieder einmal ohne jeglichen Geschmack ausgesuchte Krawatte zurecht. Sie war schreiend grün, mit roten Diagonalstreifen verziert und ein Ausbund an Scheußlichkeit. »Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, Sie würden Briefmarken sammeln, statt sich mit Verkehrsstatistiken herumzuschlagen.«
    »Das Sicherste wäre gewesen, mit dem Wagen nach Gibraltar zu fahren und dort per Fähre überzusetzen«, sagte Dirk halsstarrig.
    »Bestimmt.« Biermann nahm die Kaffeetasse wieder auf und wog sie in der Hand, als wäre er drauf und dran, Dirk ihren Inhalt ins Gesicht zu schütten. »Dann hätten wir aus den dreieinhalb Stunden zweieinhalb Tage gemacht. Haben Sie so viel Zeit?«
    »Die Frage ist nicht, ob ich Zeit habe«, antwortete Dirk, »sondern ob die Spur etwas taugt, die uns ausgerechnet nach Casablanca führt.«
    »Haben Sie etwas gegen Casablanca?«
    Dirk schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Es ist nur so … Casablanca ist für mich immer noch die Stadt mit Rick's Bar.«
    »Sie waren schon mal in Casablanca?«
    Dirk warf Biermann einen schrägen Blick zu. »Kennen Sie etwa nicht den Film Casablanca mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman?«
    »Doch, natürlich.« Biermann stellte die Tasse mit der hin und her schwappenden schwarzen Brühe, die nicht wirklich nach Kaffee roch und wahrscheinlich auch nicht so schmeckte, mit einem leisen Seufzer auf das Klapptischen und schob sie von sich. »Ich erinnere mich allerdings nur an die Flughafenszene. Bogart lässt seine große Liebe mit einem anderen davonfliegen und schießt sogar jemanden nieder.«
    »Genau«, sagte Dirk finster. »Und auf diesem Flugplatz landen wir jetzt, um meine große Liebe zu suchen. Ich finde das nicht gerade beruhigend.«
    Es war nicht der kleine, im Nebel liegende Flughafen aus dem Film, den sie anflogen, aber sie saßen ja auch nicht in einer Ju 52 oder was immer man mitten im Zweiten Weltkrieg an Passagiermaschinen flog, sondern in einer Boeing 737. Die lockere Wolkenschicht unter ihnen riss auf und bot Dirk einen besseren Blick in die Tiefe, als ihm lieb war. Er sah einen blauweiß umtosten Strand und eine braungrüne Küstenlandschaft, auf der moderne Gebäude verstreut waren, die in jeder europäischen Großstadt hätten stehen können und so gar nicht seiner ziemlich romantischen Vorstellung von einer nordafrikanischen Landschaft entsprachen. Es waren eigentlich nur flüchtige Eindrücke, die Dirk aufschnappte, denn natürlich hatte er den Platz am Mittelgang gewählt, um eben nicht aus dem ovalen Fenster sehen zu müssen. Aber wie es der Zufall wollte, war der Sitz neben Biermann leer geblieben, und statt nun einfach an die Kabinendecke zu starren oder weiter so zu tun, als wäre er am Inhalt seines Buches interessiert, verrenkte er sich fast den Hals, um an Biermann vorbei aus dem Fenster zu blicken.
    Er musste daran denken, dass mehr als die Hälfte aller Abstürze während der Landung passierten. Im Grunde war eine Landung ja auch nichts anderes als ein kontrollierter Absturz.
    Dirk betrachtete die Landschaft unter sich nicht mit der Neugier eines Touristen,

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