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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versteinerten, vermutete aber, dass dazu eher Millionen als Hunderttausende von Jahren nötig waren.
    Also doch Riesen? Oder vielleicht ein Dinosaurier oder eine ihm unbekannte Spezies?
    Entschlossen packte Dirk die nächste steinerne Rippe der uralten Bestie, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Während er sich auf diese Weise immer weiter nach oben zog, glaubte er, unter sich eine leichte Erschütterung zu spüren und ein merkwürdiges Grummeln zu hören, das tief aus dem Hang zu kommen schien. Er hielt inne und legte den Kopf schief, um zu lauschen. Ja, da war es wieder, ein schweres, mahlendes Ächzen, dem ein Vibrieren folgte. Der Boden unter ihm zitterte wie nach einem fernen Erdbeben und beruhigte sich nur allmählich.
    Es wurde Zeit, dass sie hier wegkamen.
    »Schon wieder eine Pause, Gallwynd?«, hörte er Venturas Stimme. »Soll ich Ihnen einen Kaffee bringen? Und vielleicht noch ein bisschen Gebäck?«
    Dirk knirschte mit den Zähnen. Der Araber ging ihm zunehmend auf die Nerven. Dummerweise hatte er nicht ganz unrecht. Mit jeder Sekunde, die er hier verharrte, brachte er sich und die anderen nur in Gefahr.
    Er warf einen prüfenden Blick auf das versteinerte Skelett. Soweit er aus seiner Position erkennen konnte, bestand es aus einer massiven, größtenteils verschütteten Wirbelsäule, zu deren Seiten sich mächtige, teilweise gebrochene Rippen erhoben. Manche von ihnen waren beinahe vollständig von Geröll bedeckt, andere ragten wie bleiche Speere im Halbbogen zwischen den Steinen hervor. Also doch ein Dinosaurier? Dirk schüttelte den Kopf. Im Grunde war es nicht wichtig, was für ein Wesen hier lag, sondern wie seine Überreste angeordnet waren: wie eine überdimensionale Leiter. An deren Sprossen er sich nach oben arbeiten konnte.
    Damit Ventura ihm nicht noch einen mit Milch aufgeschäumten Cappuccino anbot, drehte er schnell den Kopf und rief: »Ich ziehe mich an dem Skelett nach oben! Macht es mir einfach nach, dann kommen wir schneller hoch!«
    Dann konzentrierte er sich auf das Klettern und bewegte sich schneller als zuvor. Ein tiefes Unbehagen trieb ihn an, die Ahnung, dass hier nicht alles war, wie es auf den ersten Blick schien. Erneut vernahm er das Ächzen und Mahlen, diesmal lauter. Es wurde nicht vom Wind verursacht, der ihn umheulte, sondern von einer ganz anderen Kraft, über die er noch nicht einmal nachzudenken wagte.
    Plötzlich begann der ganze Hang zu beben wie ein Schiff, das in einen Gewittersturm geraten war und sich stampfend und schlingernd durch die Wellen kämpfte.
    Dirk starrte aus zusammengekniffenen Augen hinter sich, wo er Kinah und die anderen vermutete. Er sah nur aufgewirbelten Sand, der sich stellenweise zu eigenartigen Gebilden verdichtete, die bereits vom nächsten Windstoß hinweggefegt wurden. Die anderen waren in Gefahr, aber er konnte ihnen nicht helfen. Er konnte lediglich sich selbst in Sicherheit bringen.
    Er griff hastig nach einer Rippe und zog sich ein Stück näher an die Wirbelsäule heran, die gekrümmt nach oben verlief. Er musste hinauf zum Gipfel des Hangs und den anderen irgendwie helfen, der Falle zu entrinnen, in die sich dieser Geröllhaufen zu verwandeln drohte. Er stemmte sich mit den Füßen gegen den Rippenbogen unter sich, klammerte sich mit den Händen an den Knochenrest über ihm und versuchte, das Rückgrat des urzeitlichen Wesens zu erreichen.
    Es war, als hätte der Wind nur darauf gewartet, dass Dirk die Totenruhe der riesigen Kreatur endgültig störte. Das Heulen, das schon die ganze Zeit über an seinen Nerven gezerrt hatte, steigerte sich zu einem infernalischen Lärm. Felsbrocken rollten an ihm vorbei in die Tiefe, und der Untergrund verlor von einer Sekunde auf die nächste seine Struktur, gab an einigen Stellen nach und warf sich an anderen auf, bis immer mehr Steine ins Rutschen kamen und mit ihnen der Sand, der bisher zwischen ihnen festgebacken gewesen war und nun geradezu herausgesprengt wurde.
    Verzweifelt wandte Dirk den Kopf und starrte abermals dorthin, wo Kinah und die anderen der tosenden Urgewalt ausgeliefert sein mussten. Er hätte es besser nicht getan. Ein Knochenstück sauste auf ihn zu und traf ihn so hart am Kopf, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Zwei oder drei Sekunden lang war Dirk einer Ohnmacht nahe, die wahrscheinlich nahtlos in den Tod übergegangen wäre. Doch bevor die verlockende Dunkelheit über ihm zusammenschlagen konnte, tastete er nach der gewaltigen Wirbelsäule, die den einzigen

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