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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mitzunehmen, aber dann hatte er doch darauf verzichtet, schließlich wollte er nicht in den Krieg ziehen. Es reichte schon, dass Rastalocke mit der Signalpistole, Kletterhaken und einem Campingmesser bewaffnet war und sich Biermann neben einem Seil und allem möglichen Kleinkram den Scheinwerfer geschnappt hatte, der als Schlaginstrument gewiss auch nicht zu verachten war.
    Rastalocke hatte offensichtlich zu viele schlechte Filme gesehen. Er schlich in gebückter Haltung und mit kleinen, abgehackten Bewegungen den Weg hinab, an dessen oberem Ende Janette fluchtbereit im Roamer auf sie wartete, und sein Blick huschte unentwegt hin und her, als rechne er allen Ernstes damit, in einen Hinterhalt von Scharfschützen zu geraten. Darüber hinaus war er geradezu krampfhaft bemüht, jeden Schatten auszunutzen, den eine Grundstücksmauer, ein Baum oder Strauch warf.
    Nicht, dass dies nötig gewesen wäre. Ein frischer und erstaunlich kalter Wind trieb Wolken vor sich her, die dem zunehmenden Mond und den Sternen keine Chance ließen, den Weg vor ihnen zu erhellen. Und das war noch nicht alles: Vom Meer stieg Nebel auf, der schon sehr bald nach ihren Beinen griff und sie mit feuchter Kälte umwaberte. Dirk hatte schon zu frieren begonnen, kaum dass sie den Wagen verlassen hatten, doch inzwischen war es so schlimm, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht mit den Zähnen zu klappern.
    Er ging weiter und betrachtete die dunklen Umrisse der Ruderboote, die wie gestrandete Seeungeheuer neben dem Weg im Gras lagen, und die fast bedrohlich wirkende Silhouette der hinter den Bungalows aufragenden Klippe. Er hatte keine Ahnung, wie oft Kinah hier entlanggekommen war. Aber allein die Tatsache, dass sie diesen düsteren Küstenabschnitt ihrem ersten Zuhause vorgezogen hatte, ließ ihn vor Wut und Hilflosigkeit erbeben. Wie hatte sie ihn – und vor allem ihre gemeinsame Tochter – für das hier aufgeben können?
    Er beschleunigte seine Schritte, denn Rastalocke war nur noch ein undeutlicher Schemen vor ihm. Als Dirk zu ihm aufschloss, sah er, dass er die Hand auf die Hosentasche gelegt hatte, die von der Signalpistole ausgebeult wurde. Biermann hatte John eingeschärft, dass er die Waffe nur im äußersten Notfall ziehen durfte. Dirk konnte lediglich hoffen, dass sich Rastalocke die Leuchtmunition nicht aus lauter Nervosität in den eigenen Fuß schießen würde.
    »Und jetzt?«, flüsterte John, nachdem sich auch Biermann zu ihnen gesellt hatte. »Stürmen wir die Bude?«
    »Stürmen?«, fragte Biermann irritiert. »Du meinst damit doch wohl nicht das, was ich befürchte, oder?«
    »Nee, ich meine das, was ich befürchte.« Rastalocke deutete auf die dunkle Klippe. »Oder glaubt ihr wirklich, dass wir in die Grotte gelangen, ohne uns vorher mit unserem Freund, dem Türsteher, auseinandersetzen zu müssen?«
    »Wenn wir es schaffen, an seinem Bungalow vorbeizukommen, ohne uns gegenseitig auf die Füße zu treten und laut ›Aua‹ zu schreien, dürfte das eigentlich kein Problem sein«, gab Biermann zurück. »Ich mache mir eher Gedanken um den anderen Zugang zur Grotte, den Sie entdeckt haben, Gallwynd.«
    Dirk begriff erst nach zwei, drei Sekunden, dass Biermann damit die Skizze meinte. »Der Eingang ist doch auf der Zeichnung deutlich zu sehen.«
    »Deutlich?« John zog eine unförmige, offensichtlich selbstgedrehte Zigarette hervor und stieß einen leisen Seufzer aus. »Wie einfach könnte das Leben sein …« Er seufzte noch einmal. »Wer weiß, ob dieses Gekritzel wirklich die Grotte darstellen soll.«
    »Keine Sorge«, sagte Dirk. »Da bin ich mir sicher. Und Kinah hat uns auch gleich den Eingang eingezeichnet.«
    »Kinah? Ihre Frau? Oder sollte ich besser sagen Exfrau?« Rastalocke starrte die übergroße Zigarette so eindringlich an, als wollte er sie dazu bringen, sich selbst zu entzünden. »Warum sollte sie das tun? Weil sie insgeheim hofft, Sie würden den Zettel finden und kommen, um sie aus den Klauen des Ungeheuers zu befreien, das dort unten haust?«
    »John«, sagte Biermann gefährlich leise. »Lass es sein, ja?«
    Rastalocke löste seinen Blick von der Zigarette. »Was soll ich denn seinlassen?«
    »Streit vom Zaun zu brechen und danach Trost bei einem kleinen Joint zu suchen.« Biermann nahm ihm die Selbstgedrehte mit einer raschen Bewegung ab und zerbröselte sie zwischen den Fingern. »Und jetzt los. Bringen wir es hinter uns.«
    Rastalocke blickte ihn fassungslos an. »Weißt du eigentlich, wie schwer es

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