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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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besänftigender Stimme fort. »Aber ich weiß einige andere Dinge. Zum Beispiel, dass du Riesenprobleme bekommst, weißer Mann, wenn du nicht endlich still hältst. Oder wie soll ich deine Wunde versorgen, wenn du so unruhig bist?«
    In ihrem Blick flammte eine Entschlossenheit auf, der Dirk nicht viel entgegenzusetzen hatte.
    »Das passt doch alles nicht zusammen«, sagte er. »Vor ein paar Tagen sind wir uns zufällig vor Biermanns Büro in München über den Weg gelaufen. Und jetzt stellt sich heraus, dass du dich in diesem unterirdischen Irrgarten so gut auskennst, als wärst du hier aufgewachsen!«
    Lubaya grinste spöttisch. »Aufgewachsen ist vielleicht etwas übertrieben. Aber es stimmt schon, ich habe hier unten viel Zeit verbracht.«
    Sie verlagerte ihr Gewicht, beugte sich vor und klopfte ihm beiläufig auf den Arm. Es war eine leichte Berührung, die er bei anderer Gelegenheit kaum wahrgenommen hätte, die jetzt jedoch eine durchschlagende Wirkung hatte. Der in seinen ganzen Arm ausstrahlende Wundschmerz, der zuvor an der Grenze seines Bewusstseins gelauert hatte, explodierte zu etwas Unerträglichem, das ihm den Atem raubte und seine Gedanken durcheinanderwirbelte.
    »Wie ist das möglich?«, japste er. »Wenn du …«
    »Schon gut, ich verstehe.« Lubaya nickte, aber der Spott war noch nicht aus ihren Augen gewichen. »Du willst wissen, wie ich sowohl hier als auch im kalten Deutschland zu Hause sein kann«
    »Bist du das denn tatsächlich?«, quetschte Dirk mühsam hervor. Lubaya nickte heftig. »Natürlich bin ich das.«
    »Das …« Dirk versuchte, sich auf seinen Gedankengang zu konzentrieren und das wilde Pochen in seinem Arm zu ignorieren. »Das kann doch alles kein Zufall sein!«
    »Oh Mann.« Lubaya fuhr sich mit gespielter Verzweiflung durch die Haare. »Hat Kinah dir denn nicht beigebracht, dass es so etwas wie Zufall nicht gibt?«
    »Sie hat sich bemüht.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Lubaya zuckte mit den Schultern. »Aber bei jemandem, der mit solchen Riesenscheuklappen herumläuft wie du, konnte das ja nicht funktionieren.«
    Dirk atmete tief durch, und das half – der Schmerz ließ ein wenig nach. »Würdest du mir jetzt vielleicht …«
    »Ja, ich werde dir erzählen, was du wissen musst.« Lubaya hob die Hand, als wollte sie ihm erneut den Arm tätscheln, doch als sie die Panik in seinen Augen sah, ließ sie sie wieder in ihren Schoß fallen. »Kinah und ich kennen uns schon sehr, sehr lange. Viel länger, als du dir vorstellen kannst.«
    »Was …«
    »Das heißen soll?« Lubaya schien es darauf anzulegen, ihn nicht ausreden zu lassen. »Das heißt, dass wir durch unsere Ahnenketten miteinander verbunden sind.«
    Dirk fuhr sich mit der Zunge über die aufgeplatzten Lippen. Ja, natürlich – Ahnenketten. Mythologischer Blödsinn, Rituale bei Vollmond, Skulpturen, mit denen seine Garage zugemüllt wurde, geheimnisvolle afrikanische Masken, die über ihn wachen sollten und die er deswegen auf keinen Fall abhängen durfte – all das passte hervorragend zu Ahnenketten.
    »Abgesehen davon stammen wir aus demselben Dorf.«
    »Was?« Dirk verschluckte sich fast. »Ich dachte, Kinah hat den Kontakt zu ihrer Heimat verloren!«
    »Wie kann man den Kontakt zu seiner Heimat, zu seinem Ursprung verlieren?« Lubaya stieß einen tiefen Seufzer aus. »Na ja, wenn ich dich so anschaue, dann weiß ich, was du meinst. Aber glaube mir: Man muss hier« – sie tippte sich an den Kopf – »nichts von seinem Ursprung wissen, weil man ihn hier« – sie tippte sich an ihre wogende Brust – »in sich trägt.«
    Dirk öffnete den Mund, um das so deutlich zu kommentieren, wie er derlei Aussagen schon früher kommentiert hatte, aber Lubaya kam ihm zuvor.
    »Außerdem hat sich in den letzten Jahren eine enge Freundschaft zwischen Kinah und mir entwickelt.«
    Dirk öffnete abermals den Mund, doch jetzt schnappte er nach Luft wie ein Fisch. »Du bist eine Freundin von Kinah?«
    Das kam ihm unglaubwürdiger vor als alles andere Kinah war temperamentvoll, aber … kultiviert. Lubaya war, wenn man es positiv ausdrücken wollte, der gnadenlos direkte Typ. Die beiden passten so wenig zusammen wie eine Rose und eine Sumpfdotterblume.
    »Wir kennen uns schon sehr lange«, wiederholte Lubaya. »Kinah war auch mit meiner Mutter befreundet, bevor sie … starb.«
    Ihr kurzes Zögern vor dem letzten Wort entging Dirk keineswegs, und auch nicht die Trauer, die plötzlich in ihren Gesichtszügen zu lesen war. Aber

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