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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dann gewann in ihm das Entsetzen die Oberhand – das Entsetzen darüber, dass Kinah tatsächlich verletzt und entstellt sein könnte …
    Und er sah die Ratte wieder vor sich. Sie grinste.
    Ratten grinsten nicht.
    Er musste sich zusammenreißen.
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte der Langhaarige. »Sie sind ja leichenblass geworden. Sie werden doch nicht das Bewusstsein verlieren?«
    »Nein.« Dirk räusperte sich. »Ich bin … ich muss nur …« Er räusperte sich erneut. »Erzählen Sie mir von Ihrer Beziehung zu Kinah. Wie stehen Sie zu ihr? Haben Sie …«
    »Habe ich … was?«
    »Sie wissen ganz genau, was ich meine«, murmelte Dirk.
    Lubaya begann, die Flüssigkeit im Tiegel so laut umzurühren, dass Dirk die Worte des anderen kaum verstand.
    »Ich kann es mir denken.« Der Langhaarige zündete sich umständlich eine Zigarette an, wobei er kein Feuerzeug benutzte, sondern Streichhölzer. Dirks Schwäche verflog, je länger er dem scheinbar nicht enden wollenden Gefummel zusah. Wut stieg in ihm auf. Er hasste Rituale dieser Art, und noch mehr hasste er es, wenn jemand damit Zeit schinden wollte.
    Seine Nervosität, seine Betroffenheit, sein aufkeimender Zorn schienen sein Gegenüber nicht zu stören. Das erste Streichholz erlosch, kaum dass es Feuer gefangen hatte, und auch das zweite wurde sofort von der Zugluft ausgeblasen. Erst die Flamme des dritten loderte lange genug, um die Zigarette entzünden zu können – und fast wünschte sich Dirk, sie würde den ganzen Kerl erfassen und in eine brennende Fackel verwandeln.
    »Ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt: Mein Name ist Olowski. Jan Olowski. Ich bin Meteorologe.« Er stieß mit offensichtlichem Wohlbehagen eine Rauchwolke aus.
    »Dann brauchen Sie sich zurzeit über mangelnde Beschäftigung sicherlich keine Gedanken zu machen«, sagte Dirk ärgerlich. »Aber ganz abgesehen davon wüsste ich nicht, was das mit meiner Frau zu tun haben könnte.«
    »Ganz einfach.« Olowski blies genüsslich eine weitere Rauchwolke in die Luft und lehnte sich zurück. »Wir sind auf gewisse Weise Kollegen.« Als er Dirks erstaunten Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Ihre Frau und ich, meine ich.«
    »Kollegen?« Dirk warf einen besorgten Blick zur Seite, da Lubaya einen Pinsel zur Hand nahm, der wie der Urvater aller Rasierpinsel aussah und wahrscheinlich nicht nur deswegen stank, weil sie ihn in ihr Hexengebräu eingetunkt hatte. »Das verstehe ich nicht«, sagte er und wandte sich wieder Olowski zu. »Kinah ist doch keine Meteorologin.«
    »Und doch versteht sie mehr von den Hintergründen des Klimawandels als die meisten Fachleute«, behauptete Olowski. »Und nicht nur das. Sie versucht – übrigens genauso wie ich –, etwas dagegen zu unternehmen, statt tatenlos zuzusehen, wie alles im Chaos versinkt.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, was man dagegen unternehmen könnte.«
    »Ja – das bekomme ich oft zu hören.« Olowski klopfte ärgerlich auf das Notebook, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Klimamodelle erfordern eine größere Rechenleistung, als uns heute auch nur annäherungsweise zur Verfügung steht. Können Sie sich das vorstellen? Computer berechnen heutzutage praktisch alles, und das in erstaunlicher Geschwindigkeit. Aber wenn es darum geht, Klimavorhersagen zu treffen, dann sind sie nicht hilfreicher als ein Abakus, auf dem man durch das Hin- und Herschieben von ein paar bunten Kügelchen die Flugbahn einer feindlichen Rakete zu berechnen versucht, bevor sie einen erwischt.«
    »Das halte ich für ein Gerücht«, widersprach Dirk. Er spürte Olowskis Erregung und konnte nicht verhindern, dass etwas davon auch auf ihn übersprang. »Es gibt doch sehr präzise Aussagen, zum Beispiel über die globale Erwärmung …«
    »Und bis in die achtziger Jahre hinein gab es sehr präzise Aussagen über eine angeblich bevorstehende Eiszeit.« Olowski fuhr sich mit einer heftigen Bewegung durch die Haare. »Und die Medien haben damals das Thema einer drohenden Eiszeit mit der gleichen Begeisterung aufgegriffen wie jetzt das der globalen Erwärmung.«
    »Damals waren die Computer auch noch nicht so leistungsfähig wie heute«, warf Dirk ein.
    »Auch damals gab es bereits das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, das PIK oder das Forschungszentrum Karlsruhe.« Olowski schnippte achtlos Asche von seiner Zigarette. »Ganz zu schweigen von den internationalen Einrichtungen, wie denen der University of Washington. Nein, das Fatale ist, dass Wissenschaftler

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