Sturm: Roman (German Edition)
trat dabei immer wieder auf Splitterhaufen und drohte wegzurutschen wie auf einer Eisfläche und musste zwei oder drei Mal einem größeren Felsstück ausweichen, das ihm im Weg lag. Die Umgebung flirrte vor seinen Augen und mit ihr Olowski, der bereits ein paar Meter Vorsprung gewonnen hatte und auf eine dunkle Öffnung zuhielt, in der ein breiter Schatten stand und ihnen zuwinkte.
Es war wie ein Lauf durch feindliches Geschützfeuer. Dirk sprang über einen Stein hinweg, den er in dem grauen Zwielicht, das in diesem Teil der Grotte vorherrschte, gerade noch erkannte, wich erneut einem Felsbrocken aus und hörte, wie hinter ihm etwas krachte. Längst schon hatte er die Orientierung verloren. Olowski war auf einer anderen Route unterwegs, sprang wie ein Hürdenläufer über mehrere größere Trümmerstücke und duckte sich weg, als direkt neben ihm ein faustgroßer Brocken auf dem Boden aufschlug und in tausend Stücke zerplatzte.
Wieder einmal war es Lubaya, die Dirk die Richtung wies. Ungeachtet der Gefahr, der sie sich dabei aussetzte, rannte sie ihm mit ausladenden Schritten entgegen.
Dirk bemerkte dies erst, als er den Kopf wandte und in ihre Richtung sah. Lubaya schrie irgendetwas, das er nicht verstand, und dann knackte es in dem Gestein über ihnen dermaßen laut und bedrohlich, dass allein das schon Grund genug für Dirk gewesen wäre, sein Tempo zu verdoppeln. Er spürte keine Schmerzen mehr in seiner Hand, er hatte keine Angst mehr um Kinah … er hatte nackte Todesangst.
Das Bombardement von Gesteinsbrocken steigerte sich nicht, es ließ nach, und als Dirk das bewusst wurde, wäre er fast langsamer geworden. Dann fiel ihm ein, was Olowski gesagt hatte. Die Ruhe täuscht. Wenn das auf ihre jetzige Situation zutraf, konnte er sich auf einiges gefasst machen.
Lubaya blieb vielleicht sechs oder sieben Schritte von ihm entfernt stehen und sah nach oben. Ihr Gesicht, das kein Gefühl zu verbergen vermochte, wurde zu einer Grimasse der Angst.
»Bei allen Göttern!« Sie schrie den Satz so laut, als sei er eine Kampfansage an die Mächte, die in der Grotte wüteten.
Und es schien, als würden die Mächte diese Kampfansage annehmen.
Plötzlich dröhnte es über ihnen derart ohrenbetäubend, wie Dirk es noch nie in seinem Leben vernommen hatte. Instinktiv machte er einen Satz nach vorne – gerade noch rechtzeitig, denn über ihm löste sich ein Teil der Grottendecke, rutschte ein Stück, blieb hängen –weiß der Teufel, woran – und brach dann endgültig ab.
Dirk hatte inzwischen Lubaya erreicht. Die Schwarzafrikanerin stand wie angewurzelt da, aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. War er eben noch von Angst beherrscht gewesen, so war es jetzt eine Mischung aus Unglauben und Entsetzen, so als wäre es sinnlos, dem entfliehen zu wollen, was sowieso alles und jeden treffen musste.
Der Teil der Decke, dessen Abrutschen Dirk mit seinem schnellen Blick nach oben bemerkt hatte, schlug auf. Es war wie eine Explosion, wie der Einschlag eines Meteoriten, der einen Krater in den Boden pflügte und dann in tausend Stücke zerplatzte. Dirk wurde im Rücken von einem vorbeizischenden Stein getroffen, knickte in den Knien ein und wäre in sich zusammengesackt, wenn nicht Lubaya in diesem Moment aus ihrer Erstarrung erwacht wäre. Sie packte ihn an den Armen und zog ihn mühelos wieder hoch.
Dirk blieb keine Zeit, Erleichterung zu empfinden, denn nun folgte Brocken auf Brocken, zischend sausten Felsstücke herab und prallten knallend auf den Boden, und darüber hinaus schien die ganze Grotte in Bewegung zu geraten, als beschleunige ein Erdbeben ihren Zusammenbruch.
Lubaya hatte wieder zu laufen begonnen und rannte, wie Dirk es ihr niemals zugetraut hätte – mit nach vorne gesenktem Kopf und auch annährend so schnell wie ein angreifender Stier. Obwohl Dirk alles aus seinem geschundenen Körper herausholte, war er kaum in der Lage, ihr zu folgen. Ein faustgroßer Felsbrocken zerbarst direkt neben ihm, und Dirks Gesicht wurde von winzigen Splittern getroffen. Er schlug einen Haken.
Alles bisher Geschehene war jedoch nur der Auftakt der Katastrophe gewesen. Waren bislang lediglich Teile der Grottendecke heruntergekommen, ging es nun um das ganze Gewölbe.
Ein dunkles, wehklagendes Geräusch ertönte – in einer Lautstärke, bei der selbst eine Heavy-Metal-Band mit hämmerndem Schlagzeug, harter Basslinie und kreischenden Gitarren untergegangen wäre. Aber dabei blieb es nicht.
Lubaya hatte inzwischen
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