Sturm ueber Cleybourne Castle
ihr."
„Ich fürchte, Sie werden zunächst erst einmal hier bleiben müssen, Miss Pargety", erwiderte Jessica. „In Anbetracht des Wetters wird Ihre Schwester Verständnis dafür haben."
„Wie soll sie nur ohne mich mit allem fertig werden? Sie wird sich furchtbar aufregen!"
„Ich denke, sie wird eher erleichtert sein, wenn Sie in Sicherheit sind", mischte sich die andere Dame ein, die sich selbst als Mrs. Woods vorstellte. Sie war eine sehr attraktive Frau etwa Mitte dreißig mit einer leicht oliv getönten Haut und dichtem schwarzen Haar. Ihre Stimme war leise und ein wenig heiser, und ihre Aussprache hatte einen leichten fremdländischen Akzent. Sie sieht ein bisschen zu exotisch für einen so simplen Namen wie Mrs. Woods aus, dachte Jessica. Ihr schlichter dunkelgrüner Mantel schien von einem ausgezeichneten Schneider angefertigt worden zu sein, und als Baxter ihr beim Ausziehen behilflich war, kam darunter ein ebenso elegantes und teures Reisekleid aus braunem Wollstoff zum Vorschein.
„Wir hätten überhaupt keine Schwierigkeiten mit der Weiterreise gehabt", fuhr Miss Pargety fort, ohne auf die Beruhigungsversuche von Mrs. Woods einzugehen.
„Schuld hatten die beiden jungen Männer. Sie waren leichtfertig, absolut leichtfertig."
„Zweifellos hatten sie nicht genug Erfahrung für das Lenken eines Wagens bei diesen Straßenverhältnissen", meinte der Geistliche, während er Jessica und Gabriela entschuldigend anlächelte.
„Und wo sind diese beiden jungen Männer?" erkundigte Jessica sich. „Sie können doch auch nicht Weiterreisen."
„Nein, nein, sie werden bestimmt nicht so töricht sein, es zu versuchen", erwiderte Reverend Radfield eifrig. „Obzwar es Ihren Leuten gelungen ist, den leichten Zweisitzer wieder aus dem Graben zu holen. Der Wagen hatte durch den Sturz keinerlei Schaden davongetragen, und nun folgen sie uns damit auf den Fersen. Das scheinen sie schon zu sein."
Auf der Vortreppe waren Stimmen laut geworden, und alle wandten sich erwartungsvoll zur Tür. Aber es waren nicht die Fremden, die eintraten, sondern der Duke mit Lady Westhampton, die sich erschöpft an seine Schulter lehnte, gefolgt von dem Kutscher und der Zofe. Rachel sah bleich aus und zitterte vor Kälte.
Besorgt lief Jessica zu ihr. „Lady Westhampton! Sie müssen ja völlig durchfroren sein! Kommen Sie schnell mit mir hinauf in Ihr Zimmer."
„Danke, Miss Maitland. Es ist alles in Ordnung. Es war nur eine harte Erfahrung für mich, wenn ich auch glaube, dass es nicht halb so schlimm war wie Krieg. Glücklicherweise kam Richard zur rechten Zeit, sonst wären wir vielleicht in dem Schneetreiben verloren gegangen."
„Was, um alles in der Welt, wollen denn alle diese Leute hier?" rief Cleybourne ärgerlich, nachdem er sich in der Halle umgesehen hatte.
„Es sind Passagiere der Postkutsche, die nicht weit von hier verunglückt ist", berichtete Jessica und sah dem Duke dabei mutig in die Augen. „Ich war mir sicher, dass Sie darauf bestanden hätten, ihnen Unterkunft zu gewähren, wenn Sie hier gewesen wären."
„Jaja, schon gut", erwiderte er ungeduldig. „Aber nun kümmern Sie sich um Rachel, damit sie sich aufwärmen kann."
„Ich werde für sie sorgen. Sie können ganz unbesorgt sein. Und Miss Brown wird den anderen Gästen ihre Zimmer zuweisen."
Erneut erklang ein dumpfes Klopfen an der Eingangstür.
Ein Lakai öffnete und ließ zwei junge Männer ein. Nach der Beschreibung des Kutschers mussten es die beiden Gentlemen sein, die den Unfall auf der Landstraße verursacht hatten, und nach ihrer Kleidung zu schließen, gehörten sie ganz offensichtlich der guten Gesellschaft an. Sie trugen moderne sportliche Überzieher mit zwei Reihen glänzender Messingknöpfe und mehreren kurzen Capes an der Schulterpartie. Ihre Stiefel waren spiegelblank geputzt, und wenn das alles noch nicht ausgereicht hätte, um ihren gehobenen Status zu beweisen, so tat ihr arrogantes Benehmen das Übrige.
„Lord Kestwick", stellte sich der Mann, der als Erster die Halle betreten hatte, vor und machte eine Verbeugung in Richtung des Duke, denn er hatte ihn anscheinend sofort als die wichtigste Person unter den Anwesenden erkannt.
Dann trat der Zweite aus dem Schatten hervor, verneigte sich ebenfalls und verkündete selbstbewusst: „Mr. Darius Talbot."
Bei diesen Worten fuhr Jessica, die sich mit Rachel bereits zur Treppe gewandt hatte, entsetzt herum. Darius Talbot! Der Begleiter von Lord Kestwick war kein anderer als
Weitere Kostenlose Bücher