Sturm ueber Cleybourne Castle
auf. Er sah, wie die Kutsche eine Biegung zu schnell nahm, nur noch auf zwei Rädern fuhr und dann umschlug und in einem endlos erscheinenden haltlosen Gleiten in den eisbedeckten See rutschte. Die letzten Jahre seines Lebens waren nur von diesem Augenblick erfüllt gewesen.
Als er die Landstraße wieder erreicht hatte, presste er dem Pferd die Sporen in die Seite und sprengte in der größtmöglichen Geschwindigkeit, die der Zustand der Straße erlaubte, voran. Eine Stunde verging, ohne dass Rachels Kutsche in Sicht kam oder auch nur ein Zeichen zu entdecken war, dass ein Wagen den Weg passiert hatte. Der Schnee war sauber und unberührt und hatte alle Spuren rasch wieder verdeckt.
Dann endlich, nachdem er den Kamm eines kleinen Hügels überwunden hatte, entdeckte er in der Ferne etwas Dunkles. Er neigte sich nach vorn und spähte angestrengt durch die unaufhörlich fallenden Flocken. Langsam wurde der Gegenstand größer, ja, er bewegte sich und schien auf ihn zuzukommen. Schließlich löste sich die dunkle Masse in einzelne Teile auf. Es waren offensichtlich vier Pferde - drei von ihnen mit einem Reiter und das vierte mit einem dicken Bündel bepackt. Kutschpferde ohne Sattel und Zügel! Rachels untersetzter Kutscher ritt das eine, während Rachel damenhaft im seitlichen Sitz auf dem anderen saß und sich die bedauernswerte Zofe verzweifelt an die Mähne des dritten klammerte. Das vierte Pferd trug einen ledernen Koffer.
Erfreut riss Richard die Arme empor, bevor er ihnen entgegengaloppierte.
Voller Missvergnügen beobachtete Jessica, wie die beiden Wagen in den Schlosshof fuhren, die Diener und einige Reisende herauskletterten und ins Haus gingen. Der Duke war immer noch nicht zurückgekehrt, und Jessicas Sorge wuchs von Minute zu Minute. Hinzu kam, dass sie sich nun fragte, was er wohl sagen würde, wenn er bei seiner Heimkehr feststellen musste, dass sie sein Haus einer Schar Fremder geöffnet hatte.
Inzwischen waren die Diener bereits dabei, das Gepäck der Passagiere der Postkutsche aus dem Leiterwagen zu holen, während nun noch drei weitere Personen der Kutsche des Duke entstiegen. Als Erster betrat ein schlanker Mann in der einfachen schwarzen Tracht eines anglikanischen Pfarrers das verschneite Pflaster des Hofes. Er wandte sich aber sofort um, um zwei Damen beim Aussteigen behilflich zu sein. Dann reichte er der älteren von beiden den Arm und geleitete sie fürsorglich die Stufen zur Eingangstür empor.
In der Halle angekommen, begrüßte er Jessica mit einer höflichen Verbeugung. „Ich danke Ihnen, Madam. Es ist äußerst liebenswürdig von Ihnen, uns Zuflucht in Ihrem Hause zu bieten. Ich fürchte, das Wetter ist uns Reisenden heute nicht wohlgesonnen."
„Ja, so scheint es in der Tat", pflichtete Jessica ihm bei. „Willkommen in Cleybourne Castle. Leider ist Seine Gnaden zurzeit nicht anwesend. Wir erwarten ihn jedoch jeden Augenblick zurück."
„Oh, du mein Himmel! In der unbarmherzigen Natur bei diesem Wetter!" Der Pfarrer legte mit einer Geste der Ergebenheit die Handflächen aneinander.
„Es handelte sich um einen Notfall, Herr Pfarrer", erklärte Jessica, bevor sie sich, Gabriela und Miss Brown den Gästen vorstellte. Der Geistliche erwiderte mit einer erneuten Verbeugung: „Und ich bin Reverend Borden Radfield. Ich befinde mich auf dem Hein weg zu meiner Gemeinde."
Er sieht erstaunlich gut aus, dachte Jessica - eigentlich zu gut und zu jung für einen Pfarrer. Die unverheirateten Damen in seiner Gemeinde werden ihm wahrscheinlich hartnäckig nachstellen.
„Gestatten Sie mir, auch die anderen Reisenden mit Ihnen bekannt zu machen", fuhr der Geistliche fort und schob als Ersten den dünnen, ein wenig zappeligen Mann nach vorn, der im Schloss um Hilfe gebeten hatte. Es war ein Mr. Goodrich. Der Größere und Kräftigere von beiden erwies sich als der Kutscher des verunglückten Postwagens. Die ältere der beiden Damen war eine Miss Pargety, die mit ihrem verkniffenen Gesicht und einer leichten Hakennase etwas Vogelähnliches hatte. Mit ihrer einförmig schwarzen Kleidung sieht sie wie eine Krähe aus, stellte Jessica fest. Ihr angegrautes Haar hatte sie zu kindlichen Korkenzieherlöckchen gedreht, die auf ihre blassen Wangen fielen und bei jeder Bewegung und jedem Wort zu hüpfen begannen.
„Ich weiß gar nicht, was ich machen soll", sagte sie in jammerndem Ton und blickte Jessica dabei vorwurfsvoll an. „Meine Schwester erwartet mich zum Christfest. Ich muss unbedingt zu
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