Sturm ueber Cleybourne Castle
jener Mann, mit dem sie einst verlobt gewesen war und der sie nach dem Skandal um ihren Vater sitzen gelassen hatte.
10. KAPITEL
Rasch duckte sich Jessica hinter Lady Westhampton, damit Darius sie nicht sofort sehen konnte. Sie musste ihre ganze Kraft zusammennehmen, um Fassung zu bewahren.
Cleybournes Miene nach zu urteilen schien er über die neue Bekanntschaft keineswegs begeistert zu sein. Mit kühler Höflichkeit stellte er Rachel, Gabriela und Jessica vor. Während Lord Kestwick die Gouvernante keines Blickes würdigte, riss Darius bei der Nennung ihres Namens erstaunt die Augen auf und starrte sie verwirrt an.
Rasch legte Jessica ihren Arm um Rachels Taille und sagte, zum Duke gewandt: „Ich sollte Lady Westhampton nun endlich in ihr Zimmer bringen."
„Jaja, natürlich." Besorgt musterte Cleybourne seine Schwägerin. „Ich komme in wenigen Minuten nach, um zu sehen, wie es dir geht."
„Es wird mir schon gut gehen, Richard", erwiderte sie lächelnd.
Aber Jessica merkte, dass Lady Westhampton immer noch zitterte und sich schwer an ihren Arm lehnte. Fürsorglich half sie ihr die Stufen hinauf und führte sie in ihr Zimmer, immer bemüht, dabei nicht an die Anwesenheit ihres ehemaligen Verlobten im Schloss zu denken, sondern nur an das Wohlergehen Rachels. Es war wahrhaftig ein teuflischer Zufall, der Darius ausgerechnet hierher geführt hatte, und es sah so aus, als würde sie die nächsten Tage mit ihm unter einem Dach verbringen müssen.
Nachdem sie Lady Westhampton geholfen hatte, die feuchten Kleider und die durchnässten Stiefeletten abzulegen, wickelte Jessica ein wollenes Tuch um sie und drängte sie dazu, sich ins Bett zu legen. Das Hausmädchen hatte die Laken mit einer Kupferpfanne angewärmt und eine Flasche mit heißem Wasser ans Fußende gelegt. Jessica rückte sie an die richtige Stelle und zog dann die Bettdecke so weit empor, dass sie Rachels Schultern und Hals bedeckte.
„E...es t...tut mir I...Leid, da...dass ich so viel M...Mühe mache." Lady Westhampton zitterte jetzt am ganzen Körper, und ihre Zähne klapperten hörbar. „I...ich merke erst jetzt, wie ka...kalt es draußen gewe...gewesen ist."
„Es wird Ihnen gleich warm werden. Haben Sie nur noch ein bisschen Geduld."
Jessica läutete nach dem Hausmädchen und bestellte heißen Tee für die Patientin. Aber Miss Brown schien auch schon daran gedacht zu haben, denn wenige Augenblicke später erschien bereits ein Diener mit einem schwer beladenen Tablett, auf dem die Teekanne einladend dampfte.
Da Lady Westhamptons Gepäck noch nicht in ihr Zimmer gebracht worden war, lief Jessica rasch hinab in die Halle, holte ein warmes Flanellnachthemd und einen flauschigen Morgenmantel aus dem Koffer und kehrte mit den Sachen zu Rachel zurück. Sie half ihr beim Ankleiden und nötigte ihr dann eine Tasse heißen Ceylontee auf, der auch schnell seine Aufgabe erfüllte. Das Zähneklappern hörte auf, und als sich Rachel wohlig in die Kissen kuschelte, zitterte sie auch nicht mehr.
„Das Schneetreiben war schrecklich", erzählte sie. „Ich hätte dem Kutscher früher den Befehl zum Umkehren geben müssen, aber ich fürchtete, dass sich Lord Westhampton aufregen würde, wenn ich nicht komme. Er erwartet mich wahrscheinlich heute im Laufe des Tages. Und nun kann ich ihm nicht einmal eine Botschaft schicken."
„Ihrem Gemahl ist es wahrscheinlich lieber, wenn Sie in Cleybourne Castle bleiben, anstatt Leben oder Gesundheit aufs Spiel zu setzen, nur um nach Hause zu kommen."
„Sicherlich. Und Michael ist ja auch ein ruhiger Mensch", erwiderte Rachel mit einem leichten Bedauern im Tonfall. „Er wird sich vermutlich denken, dass ich wegen des Wetters bei Richard geblieben bin, und sich keine Sorgen machen. Er ist sehr praktisch veranlagt."
Dann berichtete sie weiter, wie sie den Kutscher zum Umkehren veranlasst hatte und der Wagen dabei von der Straße abgekommen und in einen Graben gerutscht war. Da nicht damit zu rechnen gewesen war, dass irgendjemand vorbeikommen und Hilfe leisten könnte, hatte der Kutscher die ermüdeten Tiere ausgeschirrt, und sie hatten den Rückweg zu Pferde angetreten.
„Ich hatte große Angst, dass wir uns verirren könnten. Man konnte keinen Weg mehr erkennen, denn alles war zugeschneit. Zum Glück hat Richard uns dennoch gefunden."
„Er hat sich große Sorgen um Sie gemacht."
Rachel nickte lächelnd. „Ja, er ist ein sehr aufmerksamer Schwager."
Jessica gab keine Antwort, während sie sich insgeheim
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