Sturm ueber Cleybourne Castle
ihr Wohlergehen. Ich habe ihm einen Brief geschrieben. Dort..."
Er wies auf einen kleinen Tisch neben seinem Bett, auf dem ein Umschlag lag, mit rotem Wachs versiegelt, das das Wappen des Generals aufwies. „Nimm ihn. Ich will, dass du Gaby zu diesem Mann bringst, wenn ich die Augen schließen sollte. Gib ihm diesen Brief und auch das Testament. Ich habe ihn darin gebeten, dich weiter als Gouvernante zu beschäftigen, weil ich dir vertraue und Gaby an dir hängt."
„Ich werde alles genau befolgen, Herr General. Machen Sie sich keine Sorgen. Doch nun lassen Sie uns nicht mehr darüber reden. Sie werden wieder ganz gesund werden und Gabys Hochzeit erleben. Da bin ich mir sicher." „Das hoffe ich auch. Aber ich habe noch nicht alles gesagt. Wenn Gaby erst in der Obhut ihres neuen Vormundes ist, besteht kein Grund mehr zur Sorge. Er ist ein mächtiger, einflussreicher Mann - der Duke of Cleybourne. Gegen ihn wird Vesey nichts ausrichten können. Bis dahin jedoch fürchte ich meinen Großneffen."
„Lord Vesey, Ihren Großneffen? Aber wenn jemand anderes als Gabrielas Vormund vorgesehen ist, besteht doch keine Gefahr mehr von seiner Seite."
„Nun, das will noch nichts besagen bei diesem Menschen." Der General runzelte die Stirn. „Er ist zutiefst schlecht, und seine Frau ist nicht viel besser. Ich traue ihm zu, dass er versucht, Gabys Vormundschaft an sich zu reißen, denn ich habe ihm keinen Penny hinterlassen. Deshalb wird er hinter dem Vermögen der Kleinen her sein. Und diese Hexe Leona ist in der Lage, die Männer um den Finger zu wickeln. Keinem von beiden kann man Vertrauen schenken." Sorgenvoll blickte er Jessica an. „Ich beleidige deine Ohren nicht gern mit den dunklen Seiten des Lebens, Mädchen, aber du musst das ganze Ausmaß der Gefahr kennen. Der Mann ist ein Lüstling, und ich habe gehört, dass er eine unselige Neigung zu ... zu ganz jungen Mädchen hat... Mädchen in Gabys Alter."
Erschrocken riss Jessica die Augen auf. „Wollen Sie damit sagen, Herr General, dass Sie glauben ... dass er ... "
„Ich weiß nicht, wie tief dieser Mensch bereits gesunken ist, aber ich halte einfach alles für möglich. Gehen wir also davon aus, dass es auf alle Fälle sicherer ist, wenn Gabriela auch nicht einen einzigen Tag unter seiner Kontrolle bleibt." Eindringlich blickte der General Jessica an. „Dein Vater war einer der besten Soldaten, die je unter meinem Kommando standen."
„Ich danke Ihnen", flüsterte Jessica mit heiserer Stimme, denn plötzlich schnürte ihr irgendetwas die Kehle zu.
„Ich rechne damit, dass er dich in seinem Geist erzogen hat."
„Ich hoffe und bete, ihm Ehre zu machen", erwiderte Jessica und fügte dann in festerem Ton hinzu: „Sie können sicher sein, dass ich Gabriela von Lord Vesey fern halten werde."
„Sehr gut." Erleichtert lehnte sich der Kranke in die Kissen zurück. „Ich danke dir, Jessica. Wenn ich sterbe - ob heute oder später - wird er angestürzt kommen wie ein Aasgeier. Bring Gaby fort, sobald das Testament verlesen worden ist. Packe noch heute, damit ihr jederzeit zur Abreise bereit seid. Hast du mich verstanden?" „Gewiss, Herr General. Ich werde keine Zeit versäumen, das schwöre ich Ihnen. Sofort nach Eröffnung des Testamentes werde ich mit ihr das Haus verlassen, selbst wenn wir uns das Gepäck später nachschicken lassen müssten."
Der alte Herr nickte zufrieden. „Du bist ein vernünftiges, energisches Mädchen, und ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Bringe sie zu dem Duke of Cleybourne. Sein Landsitz liegt in Yorkshire in der Nähe von Hedby. Es sind gerade einmal zwei Tagereisen mit der Kutsche."
„Ich werde alles tun." Jessica ergriff die Hand des Generals. „Aber lassen Sie uns Gott bitten, dass dieser Fall so bald nicht eintritt und Sie Gaby noch als glückliche Ehefrau erleben werden."
„Gottes Wille geschehe."
Es war weit nach Mitternacht. Alle Bewohner des Hauses schliefen fest und ruhig. Plötzlich wurde lautlos eine Hintertür geöffnet, und eine schwarz gekleidete Gestalt huschte hindurch. Einen Augenblick hielt der Mann inne, um zu lauschen. Als sich nichts regte, schlich er vorsichtig durch die Halle und stieg dann die Dienstbotentreppe in den oberen Stock empor. Dort blieb er erneut stehen und horchte nach allen Richtungen, bevor er auf Zehenspitzen den Gang entlang bis zu der Tür ging, die er gesucht hatte. Ohne das leiseste Geräusch öffnete er sie und spähte hindurch. Offensichtlich war niemand bei dem Kranken,
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