Sturm ueber den Highlands
gefährliches Land, rau und ungezähmt, doch atemberaubend. Sie wusste nicht, warum, doch dieses Land zog sie an, erweckte eine rastlose Sehnsucht in ihr, hier zu bleiben und es kennen zu lernen, hoch zu Ross, den Wind in den Haaren.
Dieselben mächtigen Kräfte, die dieses Land geschmiedet hatten, hatten auch Lucais verändert. Aus dem feinfühligen Burschen, der einmal ein Barde werden wollte, war ein ruheloser Ritter geworden. War nichts von der Liebenswürdigkeit, die sie einst in ihrer eigenen jugendlichen Dummheit verdammt hatte, in ihm geblieben? Als sie die Halle verlassen hatte, war sie sicher gewesen, was sie ihm sagen wollte, doch nun - mit ihm allein in der Nacht - wusste sie nicht mehr, wo sie beginnen, welche Worte sie gebrauchen sollte, um seine harte Schale zu durchbrechen. Und selbst wenn es ihr gelang, könnte sie Sanftheit und Verständnis darunter finden? „E...es ist wegen Gillie.“
„Ja.“ Seine Stimme war kalt und trieb einen Schauder über ihren Rücken. Oder war es Verzweiflung?
„Es war falsch von mir, dich zu beschuldigen, dass du sie misshandelst“, fuhr sie fort.
„Die Elspeth, die ich kannte, hat sich niemals entschuldigt.“ „Ich war ein wenig überheblich, als ich jung war.“ Ihr Lächeln schwand, als sie sah, wie er die Brauen hochzog. „Ena und die anderen sagten, dass Gillie gut zu essen bekommt, genug Kleidung und all das. Wenn sie unordentlich und schmutzig ist, so liegt das daran, weil sie pfeilschnell wie eine Elritze überall hineinspringt.“
Enas Worte hatten Elspeth lachen lassen. Lucais gab keinen Laut von sich, er stand nur da und blickte über die Mauer, den Blick undurchdringlich wie die Berge, auf die er sah, seine Lippen angespannt wie ein Bogen.
„Sie braucht mehr“, sagte Elspeth sanft. Sie erzählte ihm von den verwaisten oder ungewollten Kindern, die Ross und Megan bei sich aufgenommen hatten und die sie nun mit Liebe aufzogen. „Gillie braucht Liebe.“
„Ich kann ihr ihre Mutter nicht zurückgeben. Ich wollte, ich könnte es.“ Grimmig, schmerzerfüllt waren seine Worte.
Elspeth rang nach Luft. Er hatte Jean geliebt. Wahrscheinlich liebte er sie noch immer. Es sollte sie nicht schmerzen, doch es tat es. Betrachtete man Gillies Alter - drei Jahre und drei Monate, wie Ena sagte -, hatte Lucais keine Zeit vergeudet, jemand anderen zu finden, nachdem sie, Elspeth, ihn abgewiesen hatte. Dies sollte nicht an ihr nagen, doch das tat es. In den dunkelsten Tagen ihrer Ehe, wenn Raebert ihren Stolz und ihre Selbstachtung gebrochen hatte, hatte sie sich selbst mit dem Wissen getröstet, dass Lucais sie gewollt hatte. Doch nicht für lange, wie es schien. Wahrhaftig, Männer waren wankelmütige Wesen. „Es tut mir Leid.“ Für so vieles.
„Ich brauche dein Mitleid nicht“, fuhr Lucais sie an. „Ich habe mein Bestes getan, damit für Gillie gesorgt wird. Doch sie wird niemals ihre eigenen Wege gehen können.“
„Was meinst du damit?“
„Sie ist beschränkt.“ Diese Erkenntnis, zu allem anderen, hatte ihn nahezu an den Rand des Wahnsinns gebracht.
Elspeth blinzelte. „Sie scheint mir völlig normal. Sie ist sehr scheu und spricht nicht viel, doch ...“
„Sie spricht überhaupt nicht.“
„O doch. Sie sagte mir ...“ Meine Mutter ist tot, und er mag mich nicht. „Sie sagte mir ihren Namen.“
„Du hattest schon immer eine lebhafte Fantasie.“
Elspeth erstarrte. „Ich träumte doch nicht, dass sie zu mir sprach.“ Doch sie konnte sich nicht erinnern, dass die Kleine etwas zu Ena oder den anderen Mägden gesagt hatte. „Sie war an deinen Büchern interessiert.“ Nun fielen ihr wieder die Flecken in dem Stundenbuch ein, das nun verborgen unter dem Bett im Kontor, ihrer Gefängniszelle, lag. Später in der Nacht wollte sie
den Schaden in Ordnung bringen und es zurücklegen.
„Es sind die Farben, die ihr gefallen. Sie kann nicht lesen und wird es niemals ... “
„Verdammt, Lucais, sie ist doch erst drei. Ich konnte in diesem Alter auch nicht lesen. Doch sie kann es lernen. Ich kann es ihr beibringen.“
„Du wirst nicht lange genug hier sein.“ O Gott, es schmerzte, daran zu denken, dass er sie niemals mehr sehen sollte, doch ... „Ich lasse dich gehen. Morgen bei Sonnenaufgang werden euch meine Männer nach Curthill Castle bringen.“
„Ich kann noch nicht weg. Ich sah noch nicht einmal ...“ Oh, zum Teufel.
„Was hast du noch nicht gesehen?“ fragte er beiläufig. Zu beiläufig. Er wusste etwas. Irgendwie wusste
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