Sturm über der Wüste
Lucas vorsichtig aus Psyches Armen. Auf dem Weg ins Krankenhaus war ihr ein kleiner Innenhof mit Blumen und einem Springbrunnen aufgefallen. Eine Oase und Zufluchtsstätte. Dort wollte sie auf Florence warten.
Doch kaum hatte sie sich auf eine Bank in den Schatten gesetzt, da tauchte Keegan auf. Sein Gesichtsausdruck verriet mehr als deutlich, dass er nicht damit gerechnet hatte, sie hier zu finden.
„Ich bin auf der Suche nach Jesse“, erklärte er.
„Er ist nicht hier“, entgegnete sie knapp.
Wenn er auch nur einen Rest von Anstand besaß, würde er sie allein lassen. Aber nein.
„Morgen unterschreibe ich die Dokumente.“
„Wenn ich einen Schnurrbart hätte“, antwortete sie beißend, „würde ich jetzt dessen Spitzen zwirbeln wie diese Bösewichte in den Comics es immer tun.“
Dann versetzte er ihr einen Schock, indem er lächelte statt eine weitere Spitze gegen sie abzufeuern. Erdplatten schienen sich zu verschieben, wodurch tiefe Risse entstanden, die Dampf und Feuer spuckten.
„Psyche ist noch immer auf diesem Hochzeits-Trip“, sagte er.
„Vielleicht liegt das ja an den Medikamenten.“
Sein Lachen war schön, erotisch und verwirrend. Sie sah sich nackt mit diesem Mann im Bett, verschwitzt und glühend vor Leidenschaft, und stellte sich vor, wie ihr Körper sich ihm entgegenbäumte, um ihn in sich aufzunehmen.
Meine Güte, dachte sie. Was war nur mit ihr los? Schon zum zweiten Mal überfielen sie solche Fantasien, nur weil Keegan in ihrer Nähe war.
Diese Gedanken beschäftigten Molly so, dass sie nicht hörte, was er als Nächstes sagte. Nur für den Fall, dass es sich um etwas gehandelt hatte, worauf sie gewohnt heftig reagieren musste, fragte sie: „Verzeihung, was sagten Sie?“
„Ich sagte, er sieht Ihnen ähnlich.“ Keegan deutete mit dem Kinn auf Lucas.
Molly fühlte sich durch diese Bemerkung eigentümlich angerührt. Sie drückte ihren Sohn ein wenig fester an sich. „Dafür sollte ich mich wohl bedanken. Müssen Sie nicht los?“
„Ich warte auf Jesse. Entweder ist er ohne mich gefahren, oder er hat seinen Truck am anderen Ende der Stadt geparkt.“
„Sie waren die ganze Nacht hier“, stellte Molly fest – unsicher, wie sie das finden sollte. Einerseits freute sie sich für Psyche. Darunter mischte sich aber auch so etwas wie Neid. Denn in ihrem Leben gab es niemanden, der so etwas für sie tun würde. Der in einem Stuhl neben ihrem Krankenbett schlafen würde, um auf sie aufzupassen.
Früher hätte ihr Dad das getan. Doch jetzt, wo er wieder trank, wohl eher nicht mehr.
„Das stimmt.“
„Jesse auch?“
„Jesse auch.“
Vor dem Krankenhaus hupte jemand.
„Jesse?“, fragte Molly.
„Jesse“, antwortete Keegan.
Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um.
„Molly?“
„Ja?“
„Vielleicht haben Sie recht. Dass wir miteinander auskommen müssen, meine ich – wegen Lucas.“
Und wieder spürte sie dieses inzwischen vertraute Prickeln hinter den Ohren. Ihr Hals zog sich zusammen.
„In Ordnung“, krächzte sie.
Erneutes Hupen, diesmal klang es drängender.
„Sie sollten besser gehen.“
Keegan nickte.
Kurz darauf hörte Molly eine Autotür zuknallen.
Zufrieden stand der Esel in der Box, die für ein etwa dreimal so großes Tier gebaut worden war, und mampfte seine Alfalfa-Sprossen. Offenbar gefiel es Spud auf Triple M, zumindest bis jetzt.
Devon hockte auf einem umgedrehten Eimer vor der Box und seufzte. „Er pupst ziemlich viel.“
Keegan lachte. „Stimmt. Wir sollten besser die Mistgabel und eine Schubkarre holen.“
„Du siehst echt müde aus, Dad“, sagte Devon ernsthaft. „Leg dich doch eine Weile hin. Das macht mir nichts aus.“
„Deine Mom kommt in ein paar Stunden, um dich abzuholen. Ich kann später noch schlafen.“
Mit hängenden Schultern sah Devon ihn an. „Ich würde gern bei dir bleiben. Für immer. Ich könnte im Haushalt helfen wie Rianna und Maeve. Ich würde Spud füttern und seinen Stall ausmisten.“
Tröstend legte Keegan eine Hand in Devons Nacken. Die Sonntagnachmittage waren immer besonders bittersüß. Er genoss jede Minute mit ihr, und doch war er sich ständig bewusst, dass ihre gemeinsame Zeit dem Ende zuging. Dass seine Tochter offenbar glaubte, sich ihren Unterhalt bei ihm verdienen zu müssen, machte die Sache nicht gerade vergnüglicher.
„Dev, es tut mir leid, dass ich diesmal so viel weg war.“ Eigentlich wollte er viel mehr sagen, fand aber die richtigen Worte nicht.
Sie
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