Sturm über der Wüste
noch Wunder.
Keegan dachte an den alten Angus McKettrick, der dieses Haus mit seinen eigenen Händen gebaut hatte. Hier in diesen Räumen hatte er seine drei Söhne und seine Tochter großgezogen. Auf dem alten Holzofen im Wohnzimmer, der heute nur noch dazu diente, an kalten Wintertagen eine heimelige Wärme zu verbreiten, hatten sie ihre Mahlzeiten zubereitet. Als Kind hatte Keegan manchmal die Ofentüren scheppern hören, obwohl er wusste, dass niemand unten war. Oder er hatte dem Klappern von Pferdehufen auf dem Hof gelauscht. Sein Vater erklärte ihm damals, dass es der alte Angus war, der mit seinen Söhnen um die Wette ritt.
„Du machst ihm Angst“, hatte seine Mutter protestiert.
Aber Keegan hatte niemals Angst gehabt. Ihm gefiel die Vorstellung, dieses schöne alte Haus mit denen zu teilen, die es erbaut und erhalten hatten.
Als hinter ihm eine Tür klapperte, verschluckte Keegan sich fast an dem Bier, das er sich gerade aus dem Kühlschrank geholt hatte. Er wirbelte herum. Was für ein Unsinn, ärgerte er sich. Natürlich war niemand da. Das Zufallen der Küchentür ließ ihn erneut zusammenfahren.
„Hast du noch ein Bier für mich?“, fragte Rance leise. Er hängte seinen Hut an einen Haken neben der Tür – so wie Generationen von McKettricks vor ihm.
Und Keegan, der sich gerade noch nach Gesellschaft gesehnt hatte, sah ihn misstrauisch an. Erst hatte Jesse ihn gestern nicht eine Sekunde im Krankenhaus aus den Augen gelassen, und jetzt kam Rance über den Bach geritten.
„Stehe ich unter Beobachtung, oder so etwas?“, fragte Keegan unfreundlich.
Grinsend ging Rance zum Kühlschrank, nahm sich selbst eine Flasche heraus und trank einen Schluck, bevor er antwortete. „Blödsinn“, sagte er, „dafür bist du nicht annähernd interessant genug.“
„Was hast du dann hier zu suchen?“
„Ich dachte einfach, ich komme mal vorbei und nerve dich ein bisschen.“ Er trank noch einen Schluck. „Das scheint mir gelungen zu sein.“
Keegan ging zu dem langen Tisch und setzte sich auf die Bank. „Mission erfüllt. Du kannst wieder gehen.“
In diesem Moment klingelte Rance’ Hemdtasche. So viel zu seinem neuen Cowboy-Image. Er verzog das Gesicht, meldete sich mit einem barschen Hallo und ließ Keegan nicht aus den Augen, während er zuhörte.
Derweil trank Keegan schweigend sein Bier.
„Ja“, sagte Rance dann. „Er ist hier.“ Dann hörte er weiter zu.
„Sieht beschissen aus, wenn du es genau wissen willst.“ Rance grinste, als er Keegans wütenden Blick sah. „Ich schätze, er hat vor, sich hoffnungslos zu betrinken.“
Da hielt Keegan es nicht länger aus. „Wenn du schon über mich sprichst, dann stell wenigstens auf Lautsprecher, damit ich mich verteidigen kann.“
Darauf zuckte Rance nur mit den Schultern, drückte den entsprechenden Knopf und legte das Handy auf den Tisch. „Du sprichst jetzt mit dem ganzen Raum“, erklärte er dem Anrufer.
„Ich freue mich immer über Publikum“, witzelte Jesse.
„Ihr zwei könnte aufhören, die Babysitter für mich zu spielen.“
Aber sein Cousin verschränkte nur die Finger auf der verkratzten alten Tischplatte und betrachtete Keegan feierlich. „Du solltest besser herkommen“, sagte er dann zu Jesse. „Wir müssen über die Abstimmung sprechen. Von Angesicht zu Angesicht.“
„Gib mir zwanzig Minuten“, sagte Jesse. „Seid ihr bei Keegan?“
„Hört mal, es gibt überhaupt keinen Grund …“, warf Keegan ein.
„Genau, sind wir“, antwortete Rance über Keegans Kopf hinweg.
Jesse legte auf.
Daraufhin stand Rance auf und holte zwei weitere Flaschen Bier aus dem Kühlschrank.
„Glaub nicht, dass ich nicht weiß, was hier vor sich geht.“ Wütend starrte Keegan ihn an. „Ihr beide werdet mir die zehn wichtigsten Gründe nennen, warum ihr McKettrickCo verscherbeln wollt. Und ich will sie nicht hören.“
Rance setzte sich wieder auf den Stuhl. „Wie geht’s Psyche?“
„Sie liegt noch immer im Sterben.“
„Hat sie starke Schmerzen?“
„Sie lässt sich nichts anmerken.“
„Genauso wenig wie du.“
„Sie hat das einfach nicht verdient.“
„Niemand hat das verdient, Keegan.“
„Tu mir einen Gefallen, Rance. Ruf Jesse an und sag ihm, dass er nicht kommen soll. Ich kann das jetzt einfach nicht.“
„Er wird schon losgefahren sein, und du weißt, dass er kein Handy hat. Wir müssen ein paar Dinge klären, Keeg, und zwar vor dem Meeting morgen.“
„Was gibt es da groß zu klären? Jesse hat
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