Sturm über der Wüste
nach. Du hast gesagt, du würdest Lucas gern adoptieren. Nun, hier ist deine Chance. Du musst nur seine Mutter heiraten.“
Mit einer heftigen Handbewegung lockerte Keegan seine Krawatte. „Das ist Erpressung“, stieß er hervor. „Ich liebe Molly nicht, und sie liebt mich nicht. Was für ein Heim hätten wir Lucas in Anbetracht dieses unbedeutenden Details wohl zu bieten? Außerdem wolltest du doch, dass er in deinem Haus aufwächst. Travis und Sierra haben gerade selbst eins gebaut. Sie werden mit Sicherheit nicht hier einziehen.“
Psyche schraubte an dem Regler herum, der an dem Schlauch hing. Die Venen unter ihrer Haut zeichneten sich deutlich ab.
Keegan fiel auf, wie sehr ihre Wangen in den letzten vierundzwanzig Stunden eingefallen waren.
„Ich möchte, dass Lucas in Indian Rock aufwächst, aber nicht unbedingt in diesem Haus. Und was die Tatsache betrifft, dass ihr beide euch nicht liebt – nun, ihr müsstet eben lernen, miteinander auszukommen.“
„Psyche, das ist vollkommen unvernünftig.“
„Keegan, ich sterbe. Ich muss nicht vernünftig zu sein.“
Trotz des Schocks empfand Molly heftiges Mitgefühl für diese Frau, die sich verzweifelt darum bemühte, ihren Sohn nach ihrem Tod in einer Familie aufwachsen zu lassen.
„Und nun lasst mich bitte allein. Ich möchte weinen, und das würde ich gern in Ruhe tun.“
Zunächst rührte Keegan sich nicht, doch dann reichte er Molly seine Hand und zog sie auf die Beine. Ohne ein Wort zu sagen, zerrte er sie durch die Küche durch das riesige Esszimmer in ein kleines Arbeitszimmer. Dort drückte er sie in einen Ledersessel und setzte sich ihr gegenüber. Ihre Knie berührten sich fast.
„Wagen Sie es bloß nicht zu behaupten, ich hätte Psyche diese Idee eingeredet“, schrie Molly mit einem Mal. Ihr Gesicht war so weiß, der Ausdruck in ihren Augen so verzweifelt, dass Keegan ihr glaubte.
„Brauchen Sie ein Glas Wasser oder so was?“
Sie schüttelte den Kopf und klopfte sich mit den Handrücken gegen die Wangen. Falls sie ihm etwas vorspielte, machte sie ihre Sache wirklich gut. Keegan legte die Hände auf seine Oberschenkel und versuchte, ein paar Mal ruhig durchzuatmen. Doch das half auch nicht.
„Das macht sie, weil ich eine Affäre mit ihrem Mann hatte“, murmelte Molly gequält. „Das ist ihre Art von Rache.“
„Nein. So ist Psyche nicht.“
„Ach nein?“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie atmete schwer.
Keegan unterdrückte den Wunsch, sie auf seinen Schoß zu ziehen und festzuhalten, bis es ihr wieder besser ging. „Nein.“
Doch Molly hörte ihm gar nicht richtig zu. „Ich hätte wissen müssen, dass sie mir eine Falle stellt. Ich hätte wissen müssen, dass sie mir Lucas niemals überlassen wird.“
„Psyche ist nicht so“, wiederholte Keegan tonlos.
„Ich wusste nicht, dass Thayer verheiratet war“, sagte sie.
„Sie hätten es wissen müssen.“
Sie nickte schwach. „Da haben Sie recht. Und, macht Sie das glücklich, Keegan? Sind Sie jetzt zufrieden? Oder soll ich bis an mein Lebensende einen scharlachroten Buchstaben auf meinem T-Shirt tragen?“
Die Vorstellung fand Keegan sehr ansprechend. Insbesondere, wenn er sich ein nasses T-Shirt ausmalte. Sofort schämte er sich für diesen Gedanken.
„Wir alle machen Fehler“, behauptete er, wenn auch nicht sehr überzeugend.
„Selbst Sie?“ Molly zog eine Handvoll Taschentücher aus einer kleinen Schachtel auf dem Tisch.
„Selbst ich“, sagte Keegan.
„Was soll ich nur tun?“, fragte sie.
„Was Sie tun sollen? Wie mir scheint, betrifft dieses Problem uns beide.“
„Wieso das denn? Wenn ich richtig verstanden habe, leben dieser Anwalt und seine Frau in Indian Rock. Sie können Lucas also sehen, wann immer Sie wollen. Ich hingegen – verzeihen Sie bitte meine Sprache – habe die Arschkarte gezogen.“
Komischerweise dachte Keegan daran, wie er sie am vierten Juli geküsst hatte, und unbegreiflicherweise wollte er dasselbe jetzt wieder tun. Doch der Zeitpunkt war ganz offensichtlich schlecht gewählt.
„Keegan?“
Er schüttelte sich ein wenig. „Mir ist Lucas auch wichtig. Es ist fast so, als ob …“
„Als ob er Ihr und Psyches Kind wäre?“
„Etwas in der Art.“
„Sie lieben sie, nicht wahr?“
„Ja, ich liebe sie wirklich.“
„Und darum lieben Sie auch Lucas.“
„So ist es“, antwortete er, ein wenig irritiert von dem merkwürdig verletzten Ausdruck in ihren Augen.
Nickend und schniefend warf sie die
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