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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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König der Stoffmacher!

KAPITEL 3 - KIND DER ZUNFT

    Realitäten verändern sich ständig; manche Träume nie.

    Als Teri im Schneckenhafen ankam, war es fast schon zu spät.
    Am frühen Nachmittag hatte sie sich auf ihr Bett gelegt, um ein wenig die Vorfreude auf das Fest zu genießen. Darüber war sie einfach eingeschlafen. Da ihre Eltern noch einen Besuch machen wollten, bevor das Fest begann und Teri keine Geschwister hatte, hatte auch niemand sie wecken können.
    Voller Entsetzen hatte sie beim Erwachen festgestellt, dass es um sie herum überall totenstill war. Der ganze Wohnfelsen schien von allen Menschen verlassen. In fliegender Hast, ohne sich auch nur die Schuhe überzustreifen, war sie auf den düsteren Gang hinausgestürzt. In vollem Lauf war sie die steilen Treppen im Felsinneren hinabgerannt. Wäre jemand ihr entgegengekommen, hätte es eine Katastrophe gegeben.
    Geblendet vom grellen Tageslicht war Teri durch die engen, gewundenen Straßenschluchten gerannt, bis ihr fast der Atem verging. Unsäglich war ihre Erleichterung gewesen, als sie am Schneckenhafen durch das große, turmbewehrte Schutztor kam und feststellte, dass sie nichts Wesentliches versäumt hatte.
    Fast zweitausend Stadtbewohner drängten sich auf dem einzigen Versammlungsplatz der Stadt. Schulter an Schulter standen sie dort und schauten erwartungsvoll auf das steinerne Podest am Ende des Platzes. Hell klangen die kleinen Marschtrommeln der Verkünder über die Köpfe der Menge hinweg.
    Teri beeilte sich. Gleich würden die Fanfaren erschallen, dann mußte sie in der ersten Reihe sein!
    In letzter Sekunde verzögerte sie ihren Lauf und drängte sich mit verzweifelter Kraft zwischen den eng zusammenstehenden Menschen hindurch. Langsam, viel zu langsam, kam sie vorwärts. Sie kam sich vor, wie eine Fliege im Honigtopf - irgendwann würden ihre Kräfte erlahmen und die zähe Masse um sie herum würde sie zum Stillstand bringen. Mit der ganzen Kraft ihres siebenjährigen Körpers schob sie sich zwischen den Leibern der Erwachsenen hindurch.
    Erste Beschimpfungen wurden laut. Knapp nur entging sie einem halbherzig geführten Schlag. So ging es nicht weiter! Kurz entschlossen ließ Teri sich zwischen zwei fetten, bleichen Kaufleuten zu Boden gleiten. Hier hatte sie viel mehr Bewegungsfreiheit. - Dass sie auch nicht sofort auf diese Idee gekommen war! Auf allen Vieren raste sie förmlich zwischen den Beinen der Herumstehenden hindurch.
    Einige Männer fluchten laut, andere waren amüsiert, einige Frauen schrien erschreckt auf, aber alle nahmen doch die Füße brav aus dem Weg, wenn Teri gegen ihre Waden prallte.
    Nach kurzer Zeit sah Teri die letzte Reihe Beine vor sich, direkt dahinter die Mauer des Podests. Eilig arbeitete sie sich dorthin durch und richtete sich vorsichtig auf, um die Umstehenden nicht zu verärgern.
    Nie sah man ein freundlicheres Kind aus einer Menschenmenge auftauchen. - Niemand wäre je auf den Gedanken gekommen, dass dieses zarte, blonde, lächelnde Geschöpf eben noch verbissen um jede Elle Raum gekämpft, dabei in Waden gekniffen und mit der blanken Faust auf nackte Zehen geschlagen hatte. So rückten die Leute bereitwillig noch ein wenig mehr aneinander und Teri konnte sich direkt vor dem Podest vollends aufrichten. Freundlich strahlte sie zu ihren Gönnern, einem kleinen, stämmigen Scharmann und seiner fein herausgeputzten Frau, hinauf und wandte sich dann dem Geschehen vor ihr zu.
    Teri war an die äußerste rechte Seite der Tribüne geraten. Besser hätte sie es gar nicht treffen können. So hatte sie die gesamten Vorgänge mit einem Blick unter Kontrolle und lief nicht Gefahr, etwas das außerhalb ihres Blickfeldes geschah zu versäumen.
    Direkt vor Teri, kaum eine Elle entfernt, stand einer der Verkünder. Die Marschtrommel, von dem Mann in rasendem Takt geschlagen, hing genau über ihrem Kopf.
    Die Verkünder waren die einzigen Bewohner Thedras, die ungestraft Lärm machen durften, ja sogar mußten. Alle Neuigkeiten von Belang wurden durch diese Männer und Frauen täglich zu festgelegten Zeiten verkündet. Darüber hinaus brachten sie den Bewohnern der Stadt die Verordnungen der Beamtenschaft zu Ohren, und auch die Kapitäne der Schneckenschiffe bedienten sich ihrer, um Mannschaften für ihre Frachter anzuwerben.
    Mit einem furiosen Wirbel der Trommelstöcke beendete der Mann vor Teri sein Spiel und griff zu der kupfernen Fanfare, die an einem breiten Seidenband von seiner Schulter hing. Teri hielt die

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